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WIEN/ Staatsoper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

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Wiener Staatsoper. Richard Wagner: Der fliegende Holländer

  1. Aufführung in der Inszenierung von Christine Mielitz am 11.September 2015


Michael Volle. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Im September geben die Wiener Philharmoniker traditionellerweise Konzerte bei den BBC Proms in London und dem Lucerne Festival. In der Staatsoper setzt man zu dieser Zeit Werke mit kleinerem Orchester an, verstärkt durch Substituten. Wiener Opernfreunde wissen, daß sie gut bedient werden, wenn dann der eben erst in Pension gegangene Michael Werba an die Position des zweiten Fagotts zurückkehrt. Und wirklich, mit ihrem “Steuermann” Rainer Küchl und unter „Kapitän“ Peter Schneider am Pult navigierte man mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Stürme in Wagners Partitur. Mehr noch als am 5. September wurde das Spielopernhafte hör-, die Verbindung zu Marschner, Mendelssohn-Bartholdy und Weber offenbar.

Mit sparsamen, ökonomischen Bewegungen gab Maestro Schneider, dem man viel lieber den ehrenden Titel „Kapellmeister“ verliehe, seine Zeichen, und bis auf ein paar Choreinsätze klappte das reibungslos. Wie dieser Lieblingsdirigent so vieler Sänger dem Orchester die zahlreichen piani und pianissimi, welche auch in dieser Partitur schlummern, zum Leben erweckte, ließ seine Kollegen von der Abteilung „Italienische Oper“ schlecht aussehen. Aber auch das wußten Opernfreunde, die zuhören wollen, schon vorher…

Der Chor und der Extrachor der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Thomas Lang jubelten, lärmten, riefen und träumten sich eindrucksvoll durch die großen Chorpassagen, sobald man sich mit dem Graben wieder auf dieselben Taktteile geeinigt hatte. Ärgerlich, daß diese Schnitzer ausgerechnet in der im Live Stream übertragenen Vorstellung passieren mußten.

Hans-Peter König, der mit dem gestrigen Abend seine Debut-Serie im Haus am Ring beendete, liegt die Partie des Daland viel besser als jene des Rocco im vergangenen Salzburger Festspielsommer. Interessant auch, daß seine Stimme eine Anlaufzeit benötigt, um richtig warm und voll zu tönen. Das ist schade, denn Herr König verkauft sich damit unter seinem Wert. Sein animiertes Spiel entschädigte aber vom ersten Augenblick an, und ab seinem in der Weise der Spieloper komponierten Duett mit dem Holländer konnte man’s hochzufrieden sein.

Als Steuermann verschlief Thomas Ebenstein einmal mehr die Ankunft des Holländerschiffes. Er wächst an und mit dieser Partie, und es ist ihm und uns zu wünschen, daß er vom Wunsche Abstand nimmt, sich auch als Erik zu versuchen. Herbert Lippert tat ebendies. Darf man besorgt und — mit den besten Intentionen — vorschlagen, dass er und das Besetzungsbüro sich darauf verständigen sollten, die Partie des Erik in Wien nicht weiter zu verfolgen?

Ricarda Merbeth singt auch in Wien die Senta, und das ist gut so. Ihr Name bürgt für stimmliche und damit auch darstellerische Qualität, wenn man denn die Ansicht vertritt, daß jede Rollengestaltung in der stimmtechnischen Beherrschung einer Partie ihren Ursprung zu nehmen hat. Stark im Ausdruck, schon in der Ballade vom „Fliegenden Holländer“ und erst recht im großen Duett mit demselben, wissen Wiener Opernfreunde, was sie an Frau Merbeth haben.

Carole Wilson assistierte als Mary darstellerisch und stimmlich viel besser als noch vor einer Woche. Man verließ das Haus mit dem Eindruck, sich nicht geirrt zu haben, wenn man von den Aufführungen unter Yannick Nézet-Séguin vor einem Jahr ein günstigen Eindruck mitgenommen hatte.

Und der Holländer? Michael Volle sang und spielte ihn weniger selbstbewußt als Bryn Terfel, aber mit mehr Verzweiflung. Dies ließ seine Stimme in den pianissimi des Gebets das eine oder andere Mal zittern, tat aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch. Zurückhaltend, fast scheu, begegnete sein Holländer der ihm zugedachten Braut. Herrn Volles Baßbariton tönt nicht so weich wie jener des Walisers, aber er weiß seine Stimme gut und sicher zu führen. Die Wiener Opernfreunde freuen sich sicher auf ein Wiedersehen und werden auch nicht vergessen, daß da eigentlich noch ein Wotan im Ring des Nibelungen nachzuholen ist…

Die Staatsoper unterstrich mit dem gestrigen Abend jedenfalls einmal mehr eindrucksvoll jene Kompetenz, welche man sich so sehr auch bei Mozart und Verdi wünschte. Was bleibt, ist die Hoffnung.
Thomas Prochazka
MERKEROnline

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