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FRANKFURT: DIE TOTE STADT –„Glück, das mir verblieb“ Wiederaufnahme

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Frankfurt: „DIE TOTE STADT“ WA 02.10.2015

Glück, das mir verblieb …

… Welch großes Glück widerfuhr der zweiten Reprise von Erich Wolfgang Korngold´s Jugendoper „Die tote Stadt“ unter der Stabführung von GMD Sebastian Weigle. Selbstbewusst, konzentriert offenbarte der umsichtige Dirigent die symphonische Pracht dieser Partitur, die Tempi spannungsvoll ausgereizt, neben Aggression und Attacke wurden auch die melodiösen Lyrismen prächtig ausgeleuchtet. Weigle verstand es zudem in komplexer Lesart die raffiniert instrumentierten Klänge, selbst während der expressiven Orchestereruptionen prachtvoll zu bändigen und zauberte mit dem hervorragend disponierten Frankfurter Opern- und Museumsorchester einen weichen, herrlichen Sound. Bravo!

Die surrealistische Inszenierung von Anselm Weber aus dem Jahre 2009 wirkte in ihrer Szenerie mit ihren pittoresken Elementen und Anleihen aus Dantes Dichtungen bzw. plastischen Welten frisch wie zur Premiere 2009/10 und dürfte auch der szenischen Leitung von Tobias Heyder zu danken sein, welcher die Künstler der Neubesetzungen so vortrefflich betreute.

Bewundernswert immer wieder mit welcher Selbstverständlichkeit die Intendanz  interessante Sängerbesetzungen aus dem Ärmel „zaubert“, es zudem versteht, Talente des Ensembles zu hegen, zu pflegen, zu fördern. Als Beispiel darf man den jungen Björn Bürger nennen welchem man die Rollen des Frank/Fritz anvertraute. Kernig, weich strömend, in schlichter und dennoch frappierend nuancierter Intonation entfaltete sich das herrlich timbrierte, baritonale Material ganz besonders bei Mein Sehen, mein Wähnen zu balsamischem Wohlklang.

Erlebte ich bisher während meiner vielen Besuche dieser wunderbaren Oper eine Reihe diverser Interpreten, doch dürfte ich heute, trügt mich mein Erinnerungsvermögen nicht, den wohl besten Paul gehört zu haben. Der kanadische, vielversprechende Tenor David Pomeroy gab hier nun in Frankfurt sein Rollen- und Hausdebüt. Mit Verve und jungendlichem Ungestüm warf sich der sympathische Sänger ins Geschehen, setzte alles auf eine Karte und siegte auf der ganzen Linie. Souverän, engagiert schien sich Pomeroy in die Extrempartie hinein zu fühlen, jedoch vermochte er in besonderem Maße durch seine musikalische Gestaltung mit kernigem, gesundem, herrlich strahlendem und schlank geführtem Tenor zu begeistern. Man gewann im Verlauf des Abends immer mehr den Eindruck, dieser Stimme  mit ihrem schier unerschöpflichen Höhenpotenzial und verblüffenden Steigerungen, steht die Welt offen. Bewundernswert zudem die vortreffliche Textdeklamation des Kanadiers. Eine bravouröse, effektvolle Glanzleistung!

Als Marietta/Erscheinung Maries debütierte die bereits am Hause bewährte amerikanische Sopranistin Sara Jakubiak, hatte sie es bei so viel Herren-Power nicht leicht und überzeugte dennoch mit einer bemerkenswerten Vokalleistung. Jakubiak verstand es prächtig mit den ihr zur Verfügung stehenden Soprancouleurs, den breiten Fokus dieser schwierigen Partie bestens auszuloten, verblüffte mit konditionsstarker Durchschlagskraft und meisterte die hohe Tessitura fabelhaft. Schlichen sich auch während der expansiven Höhen, kleine Verhärtungen ein, schmälern jene in keiner Weise die vortreffliche, stimmdramatische Gesamtleistung der hervorragenden Sängerin.

In bester Artikulation, weich-strömender Linienführung des fülligen Mezzosoprans, bester Phrasierung überzeugte Maria Pantiukhova als devote Brigitta. Phantastisch getanzt und selbst choreographiert die grandiose Tanzeinlage von Alan Barnes. Ausgezeichnet ohne Fehl und Tadel fügten sich die schönen Stimmen von Anna Ryberg (Juliette), Jenny Carlstedt (Lucienne), Michael Porter (Victorin/Gaston), Hans-Jürgen Lazar (Graf Albert) ins Geschehen. Vortrefflich erklang der von Tilman Michael vorbereitete Opernchor sowie der Kinderchor (Dae Myeong Park).

Das Publikum des leider nur zu 2/3 besetzten Hauses feierte alle Mitwirkenden dieser grandiosen Aufführung mit großer Begeisterung – Abwesende bestraften sich selbst!

Zusammen mit dem NT Mannheim ist die Oper Frankfurt nach 2003 und damit zum zweiten Mal während der Intendanz von Bernd Loebe zum „Opernhaus des Jahres“ durch die Fachzeitschrift Opernwelt gewählt worden.

Die Deutsche Bühne zeichnete die Oper Frankfurt darüber hinaus für das beste Theater-Gesamtprogramm der Saison 2014/15 aus. Damit nimmt die Oper Frankfurt erstmals den Spitzenplatz bei beiden Kritikerumfragen ein.

Ich gratuliere dazu im Namen der Redaktion Der neue Merker recht herzlich!

Gerhard Hoffmann

 

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