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BERLIN/ Komische Oper: LES CONTES D’HOFFMANN – ohne Esprit

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Berlin/ Komische Oper: „LES CONTES d’HOFFMANN“ ohne Esprit, 11.10.2015

Les Contes d'Hoffmann, Nicole Chevallier als Puppe Olympia, Dominik Köninger als Hoffmann 2, Foto Monika Rittershaus
Nicole Chevalier (Olympia), Dominik Köninger (Hoffmann). Foto: Monika Rittershaus

Der französische Originaltitel erweckt Vorfreude auf Charme und Esprit, doch davon fehlt an der Komischen Oper diesmal jede Spur. Zuzuschreiben ist das erstaunlicherweise Barrie Kosky, der selbst Regie führt, und seiner Idee, dem Stück einen ältlichen Schauspieler (Uwe Schönbeck) hinzuzufügen. Als alten Hoffmann, der wirr im Kopf inmitten von Schnapsflaschen auf sein Leben zurückblickt.

Der ruckelt und zuckelt, brabbelt und sabbelt fast unverständlich einige ebenfalls hinzugefügte Texte von E.T.A. Hoffmann, der Titelfigur dieser Opéra fantastique von Jacques Offenbach.

Diese erste Szene mit dem extrem Trunksucht-Geschädigten hätte ich gerade noch ertragen können. Doch so geht es leider pausenlos weiter mit dem Grimassieren, Verrenken, Fingerzucken und Armeflattern bis zum bitteren Ende. Ätzend ist das, und bald ducke ich mich hinter dem Vordermann oder schaue in eine Schönbeck-freie Richtung.

„Hoffmanns Erzählungen“ sind bekanntlich ein Torso geblieben. Das Libretto von Jules Barbier nach (s)einem gleichnamigen Drama hat das Werk 1881, nach Offenbachs Tod, zum Leben erweckt. Fest gefügt ist die Struktur nicht. Daher sucht sich jede Inszenierung das ihr Genehme heraus.

Hat Kosky mit diesem selbst gewählten „Hoffmann“ Probleme gehabt? Wie er im Programmheft freimütig einräumt, dachte er zuerst an 7 Hoffmann-Figuren und hatte dann – vielleicht gemeinsam mit dem Dramaturgen Ulrich Lenz? – die Idee für einen Schauspieler als Hoffmanns Alter Ego bekommen. Eine fatale Idee.

Schönbeck amüsiert zwar zahlreiche Zuschauer, die wohl denken, das müsste so sein. Andererseits konterkariert Kosky mit dem alten larmoyanten Suffkopp (was nicht persönlich gemeint ist) sein geschildertes Vorhaben, die quälenden Ängste und Horrorvorstellungen E.T.A Hoffmanns darzulegen. Genau das gelingt nun nicht.

Zum Positiven zählen jedoch das famose Orchester des Hauses unter der schwungvollen Leitung von Stefan Blunier. Auch die spielfreudigen Chöre, einstudiert von David Cavelius, sind zu loben. Die Herren singen und schwingen zunächst in schulterfreien langen Abendkleidern, angeführt vom gut gelaunten Peter Renz übers Parkett (Bühnenbild und Kostüme: Katrin Lea Tag). Auch das  Lindenballett Berlin ist mit von der Partie. Die berühmte Barcarole wird später wohl absichtlich verhunzt.

Zu loben wie stets ist die Schauspielkunst sämtlicher Interpreten. Chapeau insbesondere für die großartige Nicole Chevalier, die alle drei von Hoffmann umschwärmten bzw. erträumten Frauen – Olympia/Antonia/Giulietta – Typ entsprechend singt und spielt, mit Koloraturen und lyrischen Momenten, die sämtlich vollauf gelingen.

Ihr sehr überzeugender, lebhaft agierender und wohl tönender Partner als junger Hoffmann ist der Bariton Dominik Köninger, hatte Offenbach diese Partie doch ursprünglich einem Bariton zugedacht. Mit Verve schmettert Köninger „Das Lied von Kleinzack“, verliebt sich aber in die Puppe Olympia, die – Nicole Chevalier – in mit stets wechselnder Mimik aus einem Standuhrgehäuse heraus singt. Eine tolle Nummer.

Auf ihr Alter Ego, einen debilen Kerl im Mädchenkleid, der ab und zu seine altmodischen Feinrippunterhosen zeigt, hätte ich gerne verzichtet. Schenkelklopferniveau, von dem sich Alexey Antonov, u.a. als Peter Chlémil, positiv abhebt.

Les Contes d'Hoffmann, Bösewicht Dimitry Ivashchenko und Ensemble, Foto Monika Rittershaus
„Bösewicht“ Dimitri Ivashchenko und Ensemble. Foto: Monika Rittershaus

Etwas von der Gefährdung der Personen wird in der Szene der herzkranken Sängerin Antonia deutlich, die – wiederum Nicole Chevalier – vom „Satan“ (Dimitry Ivashchenko mit volumigem Bass) entgegen Hoffmanns Bitten zum Singen verführt wird.

Hoffmann ist hier Edgaras Montvidas, ein gut aussehender junger Sänger mit etwas knarzigem Tenor. Angetrieben vom Mehrfach-Traumbild ihrer verstorbenen ehrgeizigen Mutter (Karolina Gumos, die außerdem als Muse Hoffmanns agiert), fiedeln die toten Mütter die Dennoch-Künstlerin in den frühen Tod.

Die Kernszene mit dem an die Kurtisane Giulietta im Sexrausch verschenkten Spiegelbild besitzt spürbare Gefährlichkeit, bedeutet das doch den Verlust von Seele und Persönlichkeit. Zusammen mit Nicole Chevalier kann nun auch Edgaras Montvidas auftrumpfen. Selbst hier muss Schönbeck ständig störend herumwieseln. Als die Orgie endet, steigt er in einen Sarg, der zugenagelt wird. Endlich Ruhe?

Nein, denn nun stimmt Frau Gumos noch Mozarts „Reich mir die Hand, mein Leben“ an, da E.T. A. Hoffmann Mozart vergötterte. Leider tut sie es mit kratzigem Sopran, und dazu krächzt auch noch Schönbeck im Sarg. Schlimmer geht’s nimmer, doch das Publikum jubelt.

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 14., 18. und 25. Oktober, 7. und 27. Nov., 25. Dez. und in 2016

 

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