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NÜRNBERG: GÖTTERDÄMMERUNG. Vollendet das ewige Werk

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Nürnberg: „GÖTTERDÄMMERUNG“

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Rachel Tovey, Roswitha Christina Müller. Foto: Ludwig Olah

Pr. 11.10.2015   Vollendet das Ewige Werk!

Und so geschah es nun am Staatstheater Nürnberg mit dem krönenden Abschluss der gewaltigen RING-Tetralogie von Richard Wagner.

Nachdem der SIEGFRIED (MERKER 5/15) etwas, sagen wir mal: komisch inszeniert war, zeigt Georg Schmiedleitner nun im Bühnenbild von Stefan Brandtmayr und in zeitgemäßen Klamotten von Alfred Mayerhofer eine ganz passable – allerdings nicht im Sinne eines Wagnerianers des 19.Jahrhundert – Deutung der GÖTTERDÄMMERUNG: Die Nornen spinnen ein (auch nicht mehr ganz zeitgemäßes) Tonband im Zuschauerraum, wobei sie bei den halsbrecherischen Kraxeleien durch die Ränge auch noch singen müssen. Nachdem wir einen zeitgemäßen Zwischenvorhang mit dem aktuellen Kommentar REFUGES (no) WELCOME genossen haben, erblicken wie einen rahmenförmigen Raum mit vier Böden: Oben (ist auch Boden) steht der Fernseher auf dem Kopf, rechts (ist auch Boden) „sitzt“ Siegfried im 90o Winkel, also Kopf links, Füße rechts, und unten (auch Boden) thront Brünnhilde. Dahinter die – in die Jahre gekommene – Weltesche. Obwohl die Wiesn (bürgerlich: Münchner Oktoberfest) schon vorbei ist, tritt Siegfried in Tracht auf für neue Heldentaten. Unter dem sozusagen Palast der Gibichungen, die sich mit Baller-Video-Spielen vergnügen, liegt die Schar der Nibelungen – Werktätigen – Flüchtlinge. Hagen sieht aus wie ein koreanischer Politiker – nun ja: Machtspiele gibt’s eben in Ost und West. Zur Pause CNN News auf dem Vorhang. Siegfried = Gunther getarnt hat Brünnhilde reichlich ramponiert und sitzt mit nacktem Hintern auf einem Kühlschrank, sein Schwert Nothung phallisch emporreckend. Zurück in Worms: Hagens Mannen erscheinen auf der Bühne und schlagen ein paar Flüchtlinge, die sich mit einem Schlauchboot über den Rhein retten wollten, zusammen. Die Flüchtlingskrise bewegt uns sicher alle in Österreich und in Deutschland, aber gehört das hierher? Brünnhilde zieht Gunther auf einer Möbelkarre in den Palast, wahrscheinlich ein Vorgeschmack auf die drohende Hochzeitsnacht, denn wie lesen wir im Nibelungenlied: „Die hend und ouch die Füeße sie ihm zesamme band, und hing ihn an ein nagele, wo war da an der wand.“ Stattdessen heckt sie nun mit Hagen den Mordplan gegen Siegfried aus. Dieser begegnet in einer Art Urwald den Rheintöchtern, die sich in einem Hot Tub vergnügen. Da er sich ja nichts sagen lässt, erschlägt ihn Hagen mit seinem eigenen Schwert Nothung. Der erste Teil des Trauermarsches hat mir noch gefallen, alle stehen reglos ergriffen; aber dann gibt’s leider wieder „action“. Gunther stellt den toten Siegfried auf, der so als Ölgötze Gutrune begegnen muss. Brünnhilde hat ja nun den RING, und das Fernsehen überträgt die Ereignisse live. Dann übernimmt anscheinend Brünnhilde die Weltherrschaft, unterzeichnet Befehle und die Rheintöchter twittern die News (projiziert von Boris Brinkmann) auf die Rückwand der Bühne. Also ab 2.Teil Trauermarsch hat mich die Inszenierung nicht mehr so recht überzeugt.

Marcus Bosch am Pult der Nürnberger Staatsphilharmonie hat’s mal wieder so richtig krachen lassen – eben wie es die Nürnberger Wagnerianer so richtig lieben. Tadellos auch der Chor unter Tarmo Vask. Das Sängerensemble kann man nur mit einem kollektiven Einser bedenken. Ganz großartig eine wirklich gewaltige – in jeder Hinsicht – Rachel Tovey als Brünnhilde. Ganz großartig auch ein wirklich gewaltiger – in jeder Hinsicht – Vincent Wolfsteiner als Siegfried. Er ist hiermit – wie angekündigt – in den Olymp der Wagner-Tenöre aufgenommen. Bemerkenswert Jochen Kupfer in der immer etwas undankbaren Rolle des Gunther. Woong-Jo Choi reüssierte als Hagen und Antonio Yang als Alberich Ganz hervorragend in Erscheinung und Gesang beide: Ekaterina Godovanets als Gutrune und Roswitha Christina Müller als Waltraute. Auf staatsopernmäßigem Niveau auch Ida Aldrian als 1.Norn und Flosshilde, Solgerd Isalv als 2.Norn und Wellgunde und Anne Ellersiek als 3.Norn und Woglinde.

Riesenapplaus für alle, besonders für Rachel Tovey, Vincent Wolfsteiner, Woong-Jo Choi und Marcus Bosch – und nur wenige Buhs für das Regieteam.

Rüdiger Ehlert

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