1. Kammerkonzert des Staatsorchesters in der Stuttgarter Liederhalle
HOMMAGE AN EIN UNIVERSALGENIE
- Kammerkonzert des Staatsorchesters „Portrait George Enescu“ am 14. Oktober 2015 im Mozartsaal der Liederhalle/STUTTGART
Der Geiger und Komponist George Enescu gilt als Vater der rumänischen klassischen Musik. Er wurde in Paris ausgebildet und verband wichtige Stilrichtungen der mitteleuropäischen Moderne mit der reichen folkloristischen Musiktradition Rumäniens. Zunächst erklang die „Legende“ für Trompete und Klavier aus dem Jahre 1906 mit Martin Maier (Trompete) und Mihai Ungureanu (Klavier). Das Werk gilt als eine der bedeutendsten Kompositionen für dieses Genre. Schillernde Melodielinien wurden von den beiden sehr gut aufeinander abgestimmten Solisten klangfarbenreich herausgearbeitet, auch neoklassizistische und impressionistische Anklänge akzentuierten die beiden Musiker sehr expressiv. Der leise versunkene c-Moll-Beginn hinterließ bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck, dessen Intensität immer weiter zunahm. Die geheimnisvollen Räumlichkeiten wurden hier konsequent ausgelotet. Rhapsodische Effekte verdichteten sich in verblüffender Weise, punktuelle Wiederholungsfiguren und Staccato-Attacken überraschten die Ohren. Der leise h-Moll-Dreiklang des Klaviers wirkte dabei zuletzt irgendwie unheimlich – und Martin Maier erfüllte sein Trompetenspiel mit sphärenhaft-filigranen Kantilenen. Nicht weniger stürmisch und geradezu leidenschaftlich interpretierten dann Luminitza Petre (Violine) und Mihai Ungureanu (Klavier) George Enescus Troisieme Sonate op.25 für Violine und Klavier, wo Heimweh, Traurigkeit, Liebe und Melancholie eine große Rolle spielen. Der rumänische Volkscharakter wurde vor allem von Luminitza Petre hervorragend herausgearbeitet. Ihre Geige begann tatsächlich zu singen – und die Kantilenen funkelten mit Arabesken und reizvollen Kaskaden in tausend glitzernden Farben. Welches harmonische Mosaik tat sich da vor dem gebannt lauschenden Publikum auf! Die facettenreiche Folklore der rumänischen Dorfmusikanten war wiederholt nuancenreich herauszuhören. Modale Skalen beschworen eine facettenreiche Metamorphose von melodischen Momenten. Insbesondere die Modulationen der Geige wirkten dank Luminitza Petres Spiel sehr elektrisierend. Der Klang der Läutebretter rumänischer Dorfkirchen meldete sich dabei in äusserst geheimnisvoller Weise, der Klangzauber schien die betenden Mönche zu betören. Vor allem der Charakter der rumänischen Seele wurde bei dieser konzentrierten Wiedergabe von beiden Interpreten ausgezeichnet getroffen. Zuletzt begeisterten Luminitza Petre, Vanessa Gembries, Alexander Jussow, Susanne Schmidt (Violine), Jan Melichar, Thomas Gehring (Viola) sowie Vache Bagratuni und David Cofre (Violoncello) die Zuhörer bei Enescus „Octuor A Cordes“ (Oktett) op.7 für vier Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli aus dem Jahre 1900. Anklänge an Maurice Ravel, Gabriel Faure und Cesar Franck wurden hier minuziös deutlich. Und die Fugen-Kunst im Sinne Beethovens war auch bei dieser Interpretation durch die exzellenten Musiker des Staatsorchesters Stuttgart deutlich herauszuhören. Der plötzliche Übergang nach H-Dur ließ die Zuhörer innehalten, zwischen filigranen Sequenzen meldeten sich ruhige, besinnliche Klangflächen. Am besten gelang den Musikern der wunderbare letzte Satz mit seinen atemlosen Walzer-Rhythmen.
Alexander Walther