Fotos: Volkstheater / lupispuma
WIEN / Volkstheater:
ALTE MEISTER nach Thomas Bernhard,
Bühnenfassung von Dušan David Pařízek
Premiere: 18. Oktober 2015
Das Volkstheater der Anna Badora hat mit harter, sperriger Kost begonnen. Nun möchte man offenbar publikumsfreundlicher agieren. Thomas Bernhard, zu seinen Lebzeiten der ewige Schimpfer und Nörgler, ist längst ein Liebling der Wiener geworden (wie viele, die am Friedhof liegen), sie saugen seine Beschimpfungen geradezu genussvoll ein. Und „Alte Meister“ (zuletzt im Kasino des Burgtheaters und bei den Festspielen in Reichenau gespielt) hat da einiges zu bieten.
Bernhard schimpft – über die Kunst sowieso, über Museumsbesucher, dann über Österreich im allgemeinen und die Österreicher im besonderen, dann über Stifter, über Heidegger, er konnte diesbezüglich immer aus dem Vollen schöpfen. „Erregungen“ erzeugt er damit natürlich längst nicht mehr.
Allerdings wusste Bernhard sehr gut, wann er einen Stoff als Theaterstück und wann er ihn als Prosa behandelte. „Alte Meister“ ist, wenn auch mit der Gattungsbezeichnung „Komödie“ versehen, ein Roman und hat absolut nicht die Stringenz einer „Handlung“, die man in den Stücken feststellen kann.
Die Dramaturgie muss hier eingreifen, sie ist bei jeder „Alte Meister“-Präsentation eine andere, je nach Bearbeiter. Dušan David Pařízek lässt vieles aus (den Erzähler Atzbacher gibt es nicht, Bruckner und die Musik fallen aus den Beschimpfungen raus, Handlungsstränge und originales Finale fehlen), er rankt sich einfach um Reger, den Museumsbesucher, und Irrsigler, den (nicht nur als „Burgenländer“) verspotteten Museumswärter. Auch sorgt Pařízek in seinen vielen Funktionen (Regie, Ausstattung) für ein Billig-Produkt, es gibt ein paar unkenntliche Projektionen auf die großen weißen Wände, Bilder aus dem KHM sind es nicht, die „alten Meister“ werden nur mit immer denselben paar Namen zitiert. Ja, und die Bank im (angeblichen, tatsächlich nicht existenten) „Bordone-Saal“ ist ausgesucht schäbig, aber das echte Kunsthistorische Museum hat hier ohnedies nichts zu suchen.
So, wie sich Pařízek auf seine beiden Figuren konzentriert, will er vor allem ihre Geschichte bauen – teils kabarettistisch als „der G’scheite“ und „der Blöde“, teils auch im Sinn von Beckett’schen traurigen Clowns. Die ganze Angelegenheit nimmt ja eine fatale Wendung ins Sentimentale, wenn es um Regers Ehe und die mittlerweile verstorbene Ehefrau geht (Bernhard hat sich da seinen Schmerz um Hedwig Stavianicek von der Seele geschrieben, mit der er nun in einem gemeinsamen Grab am Grinzinger Friedhof liegt). Das alles hat keinesfalls jenen „Drive“, den ein Theaterabend braucht, auch wenn er nur pausenlose eindreiviertel Stunden dauert.
So liegt alles auf den beiden Darstellern, und die Regieideen erschöpfen sich darin, sie gelegentlich körperlich auf einander losgehen zu lassen (was eigentlich nicht plausibel ist) – und sie am Ende zu verkleiden: Reger zieht die Hose aus, Stöckelschuhe an und schlägt die Beine weiblich übereinander. Irrsigler kleidet sich sogar in ein dunkelrotes Damenkleid. Warum? Das wissen die Götter. Diese Hinwendung zum Weiblichen ist sicher keine aus dem Bernhard’schen Original geschöpfte Idee…
Lukas Holzhausen als Reger versucht, aus dem Spiel mit verschiedenen Dialekten Pointen zu schlagen, Rainer Galke als Irrsigler tapst auf die bekannte Art der lieben, tumben Unschuldslämmer herum. Die Faszination, die Bernhard-Darsteller haben müssten, findet man nicht. Aber der Beifall war stark – galt er dem Autor, der nicht mehr weh tut? Und vielleicht gerade deshalb?
Renate Wagner