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WIEN/ Staatsoper: EUGEN ONEGIN

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Wiener Staatsoper: EUGEN ONEGIN – 28.10.2015

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Anna Netrebko. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Vor ca. zweieinhalb Jahren sang Anna Netrebko in Wien die erste Tatjana ihrer Karriere und das Publikum war begeistert. Besonders hervorgestochen ist dabei ihre Gestaltung des 3. Aktes. Die Begrüßung Onegins auf dem Ball fällt nicht wie sonst unterkühlt, sondern eiskalt aus. Es wird damit sofort klar, dass sie die seinerzeitige Zurückweisung weder vergessen, geschweige denn verziehen hat. Auch in der Schluss-Szene kommt nie das Gefühl auf, sie könnte schwach werden. Einigen Besuchern ist damals das schwärmerische in der Briefszene abgegangen. Auch diesmal ist sie nicht das schwärmerische Mädchen, das sich in den interessanten Mann verliebt hat, sondern man spürt, dass es eine tiefgehende ernste Liebe ist – vielleicht die einzige in ihrem Leben – und dass sie Onegins Verhalten umso mehr verletzt. Damit erklärt sich dann auch ihr extremes Verhalten im 3. Akt, dass diesmal noch intensiver wirkte. Dazu kam eine stimmliche Leistung, die den Hörer in stummes Erstaunen versetzt. Ihr mittlerweile dunkel timbrierter Sopran mit dem samtigen Klang geht nicht nur in der Höhe wunderbar auf, sondern klingt in jeder einzelnen Phrase genauso wie man es sich vorstellt. Sie ist, auch wenn es einzelne nicht wahrhaben wollen, im italienischen, französischen und natürlich slawischen Fach die führende Sängerin unserer Tage und braucht auch den Vergleich mit früheren großen Interpretinnen nicht zu scheuen, weshalb der dringende Wunsch sowohl an sie aber insbesondere natürlich an den Direktor geht, sie doch öfter als derzeit in Wien auftreten zu lassen.

Dabei gibt sie sich keineswegs als Star, sondern fügt sich wunderbar in das Ensemble, das diesmal ohne Ausnahme exzellent war, ein. Christopher Maltman sang die Titelpartie mit wunderbar ruhig geführter Stimme, wobei sein eher helles Timbre der Rolle entgegenkommt. Etwas gewöhnungsbedürftig ist seine Darstellung. Er ist weniger der arrogante Aristokrat, denn ein lässiger Städter, dem das eher betuliche Landleben mehr oder weniger auf die Nerven geht. Großartig auch diesmal wieder Dimitry Korchak als Lenski. Speziell seine Arie singt er mit heller klare Stimme und wunderbar phrasierten Pianotönen. Aber auch die heldischen Passagen, speziell im Ballbild des 2. Aktes gelingen ihm ausgezeichnet. Darstellerisch ist er sehr eindringlich. Bei Ferruccio Furlanetto (Fürst Gremin) merkt man natürlich, dass er bereits im Herbst seiner Karriere angelangt ist, aber er sang seine Arie trotzdem mit schöner Stimme und großem Ausdruck. Zoryana Kushpler sang die Olga mit gut geführtem Mezzo und war darstellerisch sehr lebendig. Aura Twarowska war eine schön singende und berührend agierende Amme Filipjewna und Monica Bohinec zufriedenstellend als Larina.

Patrick Lange dirigierte eher zupackend und wesentlich dramatischer, als man es bei diesem Werk gewohnt ist, wobei die Lautstärke  manchmal etwas zu hoch war. Auch hätten mehr lyrisch empfundene Passagen  dabei sein können. Die Buhs, die für ihn am Ende vornehmlich von der Galerie kamen, waren jedoch unangebracht. Das Orchester spielte wunderbar, speziell dem Holz  gelangen einige wunderschöne Passagen. Es wurde wieder einmal deutlich, dass wir das beste Opernorchester haben und die von unnötiger Seite zuletzt gebrachte Anregung, ein „neues“ Wiener Opernorchester zu gründen, absoluter Humbug ist. Ebenso großartig der Chor.

Am Ende gab es mit der oben erwähnten Ausnahme großen Jubel für alle und man verließ mit de Gefühl das Haus, diesmal einen Opernabend erlebt zu haben, der keinen Wunsch offen ließ.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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