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BADEN-BADEN: „LISA BATIASHVILI-ROYAL STOCKHOLM PHILHARMONIA ORCHESTRA /Sakari Oramo

Baden-Baden: „LISA BATIASHVILI-ROYAL STOCKHOLM PHILH. ORCHESTRA – SAKARI ORAMO“

Konzert am 20.11.2015

Mit einem der schönsten Konzerte der Musikliteratur dem „Violinkonzert“ von Jean Sibelius durfte man wieder die exzellente Geigerin Lisa Batiashvili  im Festspielhaus erleben.

Glasklar mit großem Atem der Bogenführung zeichnete die großartige Solistin melodische Linien, gestaltete feinsinnig die Kadenz des Allegro moderato. Man gewann den Eindruck Frau Batiashvili zelebriert, veredelt die Musik, ihr Spiel lebt entscheidend von der Kunst des Schattierens. Besonders individuelle Akzente setzte die Ausnahme-Künstlerin in lupenreiner, stimmungsvoller Intonation, welche vom ersten Augenblick an fesselte,  beim Adagio.

In überschäumender Ekstase, ausgefeilter Technik, charismatischer Intensität spielte Batiashvili den danse macabre (von Sibelius selbst so bezeichnet) im finalen Allegro ma non tanto. Der sinnliche Zauber ihres Spiels, ihre musikalische Intelligenz verwandeln selbst bizarre Intervalle des Finale, zu tänzerisch, schwungvoller Anmut.

Sakari Oramo setzte mit dem ausgezeichnet begleitenden Royal Stockholm Philharmonic Orchestra die gewichtigen Parts unter Hochspannung, schuf zudem plausible Verdichtungen zwischen den rhythmischen Formteilen.

Für die Begeisterung des Publikums revanchierte sich die sympathische Künstlerin zu orchestraler Streicherbegleitung mit der Variation des georgischen Volksliedes „Zinzkaro“  zauberhaft, elegisch vorgetragen.

Den Auftakt des vorzüglichen Konzertabends bildete die symphonische Ouvertüre „Excelsior“ von Wilhelm Stenhammer. In einer Musikmixtur aus Versonnenheit, spielerischer Leichtigkeit, etwas melancholischer Schwermut malte der Komponist ein konturiertes Klangbild.  Drängend, formidabel brachte der Dirigent mit dem vorzüglich musizierten Orchester dieses kurze Werk zum Klingen.

Nach der Pause erklang eine Symphonie voll subjektiver Gefühlsregungen die „Pathetique“ von Peter I. Tschaiskowsky, der wohl genialsten Schöpfung des russischen Komponisten.

Bereits der erste Satz  spiegelt einem biografischen Portrait gleich, die Seelenzustände des Komponisten in sonnambuler Inspiriertheit wider. Er gehört wohl zu den intensivsten Symphoniesätzen überhaupt und reißt empfängliche Hörer unwiderstehlich in ihren Bann.

Zur Einleitung des Adagio lässt das Fagott zu den dunklen Harmonien der tiefen Streicher ein leises Klagemotiv hören, daraus entwickelt sich eine todtraurige Weise, die in einer schwermütigen Frage ihren Höhepunkt findet. Die lastende Stimmung erstirbt in den Bratschen, die Holzbläser übernehmen von den Violinen das Hauptthema des Allegro non troppo und in ihrem leidenschaftlichen Vortrag, wird es zum Ausdruck schmerzlicher Zerrissenheit. Selten erklang dieser Kopfsatz so logisch, zwingend ausmusiziert wie heute mit dem schwedischen Klangkörper. Natürlich fließend dirigierte Sakari Oramo die grandiosen Details in bezwingender Zielstrebigkeit. Bestens disponiert bläst die Trompete Sturm zum orchestralen Aufruhr, alles überschlägt sich im wütenden Aufbegehren, klingt im Crescendo der resignierenden Celli ab. Das Andante ist erreicht, dem zweiten Satzthema, ihm in erster Linie verdankt die Symphonie ihre Berühmtheit. Sein undeutbarer Reiz beruht darin, dass es die widersprüchlichsten Empfindungen wie Sehnsucht, Leid, Verklärtheit, Leidenschaft, Hingabe und Verzicht zugleich, ausdrückt.

In nahezu tänzerischem Charakter, wiegend mit witzigen Staccati durchsetzt, umschmeicheln heitere Melodien in reizvollen Varianten das graziöse Hauptthema des Allegro con grazia. Die Stimmungen, in wechselnden Instrumentationen vorgetragen, schlagen ins Elegische um.

In kreativem Potenzial, hoher Flexibilität, handwerklich perfekt, brillant ausbalanciert eröffneten die Stockholmer Philharmoniker das Allegro molto vivace mit den folgenden, straffen, zündenden Motiven.

Zum finalen Adagio lamentoso demonstrierte nochmals Sakari Oramo welche Vorzüge in diesem Orchester stecken. Wir vernehmen die erschütternde, musikalische Abschiedsklage eines Menschen, welcher scheinbar alles Leid überwunden hat. Aus der schmerzlichen, dunklen Melodik seines verinnerlichten Gesangs klingt nicht nur Verzweiflung, Schwermut sondern auch der geheimnisvoll gemilderte Ausdruck erhabener Zuversicht.

Diesen gefühlssatten Finalsatz ließen die schwedischen Gäste in bemerkenswerter Tiefe, nie nachlassenden Spannungsbögen, trefflich ausmusiziert verklingen.

Zunächst atemlose Stille im Saal, dann langanhaltender Applaus und Bravos für den präzisen Klangkörper und seinen einfühlsamen Dirigenten. Sakari Oramo meinte schließlich: nach einer Pathetique sei eine Zugabe nicht üblich, dennoch brachte das Stockholm Philharmonic Orchestra noch duftig, schwebend  „Valse triste“ (Sibelius) als Dankeschön zu Gehör.

Gerhard Hoffmann

 

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