WIENER STAATSOPER, 26. November 2015
Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel
Recht nett!
Daniela Sindram, Ileana Tonca. Copyright: Barbara Zeininger
Über die Beweggründe der Direktion der Wiener Staatsoper ausgerechnet Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel aufzuführen, ist sowohl im Vorfeld als auch nach der Premiere am Haus am Ring genügend und ausführlich berichtet worden. Bleibt in diesem Zusammenhang nur die Frage zu stellen, was das „große Haus“ damit bezweckt ausgerechnet diese Oper zu spielen, für die es an der Volksoper eine prächtige Inszenierung gibt und dort auch Jahr für Jahr vom Publikum zahlreich besucht und bejubelt wird. Umgekehrt steht ja auch immer wieder die Frage im Raum, warum das „kleine Haus“ eine Salome oder einen Don Giovanni produzieren muss. Sei’s drum! Was man an diesem Abend aus dem Graben zu hören bekam muss einfach als ganz große Klasse bezeichnet werden. Christian Thielemann führte das Wiener Staatsopernorchester voll motiviert durch die Partitur des an Melodien so reichen Werkes (uraufgeführt zu Weihnachten 1893 in Weimar). In der Nach-Wagner-Ära wurde die Oper sofort zum Riesenerfolg, heute gilt sie eher als Kinderoper. Aber Thielemann setzte sich ernsthaft mit ihr auseinander und man merkte ihm auch an, dass er zu Gassenhauern keine gestörte Beziehung hat. Genauso professionell wie er Operetten dirigiert ging er an diesem Abend bei Hänsel und Gretel an seine Arbeit. Hier vermeinte man die Riesen aus dem Rheingold zu hören, dort schimmerten die Rheintöchter durch, Anklänge an die Götterdämmerung blitzten auf.
Der Engländer Adrian Noble (in Wien seit seiner Alcina bestens bekannt) schuf eine taugliche Inszenierung, sein Team hatte den größten Anteil daran: Ausstatter Anthony Ward zeigte endlich einmal wieder Witz und Stil bei Kostümen und Bühnenbild, die Lichteffekte waren bei Jean Salman in besten Händen von, Andrzej Goulding sorgte für gelungene Video-Projektionen. Die Personenführung schien hingegen etwas vernachlässigt, was aber auch an den wechselnden Besetzungen während der Probenzeit liegen könnte.
Weniger zufrieden durfte man mit der sängerischen Umsetzung sein. Zu den Pluspunkten gehörte Adrian Eröd als Peter Besenbinder, der aus dieser Rolle alles herausholte. Nur wenn es im Finale in die tieferen Regionen ging, fühlte sich Eröd nicht so wohl, ansonsten dominierte sein prächtiger Bariton die Szene. Gleich gefolgt von Daniela Sindram als Hänsel, die deutsche Mezzosopranistin wurde dem Niveau der Wiener Staatsoper auf jeden Fall gerecht. Ihr warm timbrierter Mezzo fand immer die richtige Lautstärke und Färbung. Mit Abstrichen schlug sich Ileana Tonca als Gretel auch wacker. Ihrer nicht allzu großen Stimme fehlte manchmal gegen die Thielemann’schen Klangwolken aber die Durchschlagskraft. Ihr unbekümmertes Spiel tröstete jedoch darüber hinweg.
Bei Janina Baechle (als Mutter Gertrud) und Michaela Schuster (als Knusperhexe) muss man sich leider fragen, ob die dramatischen Rollen, welche diese beiden Sängerinnen in ihrem Repertoire haben, ihren Stimmen wirklich gut tun bzw. getan haben. Besonders bei Schuster führte ein (leider allzu häufig vorgenommenes) Forcieren zu einem schon grenzwertigen „wobble“. Leider verpasste Annika Gerhards als Sandmännchen und Taumännchen, die Chance mit ihren beiden wunderbaren Auftritten noch mehr herauszuholen. Die Kinder der Opernschule und die Ballettakademie gingen mit viel Spaß ans Werk. Der Schlussapplaus für Thielemann war gewaltig, wäre aber bei Palestrina oder einem Wagner um einiges enthusiastischer ausgefallen.
Ernst Kopica
MERKEROnline