Frankfurt: Der fliegende Holländer 29.11.2015 Premiere
Wolfgang Koch, Erika Sunneghard. Foto: Barbara Aumüller
Frankfurt bringt als Neuinszenierung Wagners ‚Holländer‘ heraus und favorisiert dafür wie heute viele Theater die Frühfassung der UA 1843 ohne später hinzukomponierte Aktschlüsse und ‚Erlösungsfinale‘. Trotzdem läuft die Inszenierung nicht auf einen harten Selbstmord der Senta hinaus wie heute vielfach gezeigt, um die Dramatik gar noch in schiere Brutalität kulminieren zu lassen. Das kommt auch in der musikalischen Wiedergabe durch, bei der das Orchester unter der zuverlässigen Leitung von Bertrand de Billy nicht zu hart draufschlägt, sondern auch die lauten Passagen schön, quasi gerundet, ausmusiziert. Die Soli, besonders Oboe, Englisch Horn und Fagotte, kommen dabei schon im Vorspiel zu einzigartiger Wirkung, und auch die teils peitschenden Streicher-Schnellläufe escheinen fast süffig geprobt. De Billy genehmigt sich auch lange Generalpausen und dosiert damit die Spannung. Die Hörner bei der 2.Eric Romanze werden wunderbar hoch romantisch geblasen.
Die Regie von David Bösch kann in ihrer Transponierung in eine heutige Zeit weitgehend als stimmig beurteilt werden. Eine dunkel düstere Raumstimmung ist auf weitgehend offener Bühne vorherrschend. Bei den Außenszenen kommt auch unvermutet ein voller Sternehimmel dazu.(Bb.:Patrick Bannwardt) An Meer- und Schiffs-Atmosphäre erinnert zu Beginn ein Schlauchboot in der Mitte sowie eine von oben kommende Takelage und herunterhängende Plastikfahnen (Segel), an denen sich die Matrosen betätigen. Der Steuermann wird als leicht lächerliche Figur in feinem Schwarzleder dargestellt und später als Obersäufer gezeigt, Daland dagegen als ‚Vernünftler‘ in Seemannsuniform. (Kost.: Meentje Nielsen) Plötzlich heulen Motoren auf und auf der Hinterbühne werden grelle Stroboskoplampen ins Publikum gerichtet. Die Holländer-Mannschaft hat sich als Rockergang auf großen Harley Davidson-Maschinen herangemacht und aus ihr schält sich der in einen schlichtem dunklem Mantel drapierte Boss heraus, um sich mit Daland ins Einvernehmen zu setzen. Aus einem Alukoffer kann sich dieser bei den Schätzen bedienen, und der Rockerboss lässt schon einmal Geldscheine regnen. Im 2.Akt mutiert diese Szene zur Spinnstube, und es formieren sich verschiedene Frauengruppen, alle mit schönen Sommerkleidern angetan. Senta ist immer von einem Fotoalbum mit Bildern von der Motorradgang und deren Leader hingerissen. Mary kontrolliert die Näherinnen in einem hübschen Gelb-Ocker Kleid. Die Szene erscheint konfus mit viel Elektrik-Wirrwarr und herumliegenden Paketen und Nähmaschinen. Daland hat später gleich ein schlohweißes Hochzeitskleid für Senta parat. Beim Steuermann- Chor stehen sich Frauen und Männer pulkweise gegenüber. Die Mädchen mischen sich nach ihrem Abgang später wieder noch aufgebrezelter und z.T. in roten Strümpfen unter die Männer und prostituieren sich gleichsam. Eric hat bei seinem erneuten Auftreten ein Messer dabei, mit dem er Senta bedroht. Nach seinem und des Holländers Abgang sinkt Senta auf ein Sofa auf dem von der Motorradgang bereits mit Benzin überschütteten Terrain, während die obere Schiffsschraube, die schon den ersten Auftritt der Gang begleitet hat, zu glühen und zu brennen beginnt. Senta verfällt dabei in eine Art Liebestod.
Die Chöre leisten auch sängerisch Vorzügliches. Tanja A. Baumgartner gibt die Mary mit schönem Mezzo-Schmelz. Der Steuermann des Michael Porter überzeugt auch als Tenor. Andrea Bauer hat für den Daland einen etwas fahl klingenden Bariton zu bieten, prononciert dafür aber auch in der ‚Spielarie‘ mit Verve. Daniel Behle hat für den Eric eher bescheidene tenorale Mittel aufzubieten und hat damit als Konkurrent zum Holländer auch insofern schlechte Karten. Wolfgang Koch bewältigt in seinem Rollendebut diesen erstklassig, seine stimmfärberischen Mittel setzt er schon jetzt ganz gewieft ein und bewegt sich auch gut in der Regie. Erika Sunnegardh ist eine ideale Überfliegerin als Senta. Sie gestaltet sie blendende Phrasen und kann bei den Spitzentönen immer noch überraschend zulegen.
Friedeon Rosén
Foto: (c) Barbara Aumüller