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FRANKFURT: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

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Frankfurt: „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“ 16.12.2015


Wolfgang Koch, Erika Sunneghard. Foto: Barbara Aumüller

Welch grandiose Inszenierungen von Richard Wagner´s  romantischer Oper „Der Fliegende Holländer“ stellten einst und stellen heute noch geniale Könner mit wenigen Mitteln auf die Bühne. Zur heute besuchten 5. Vorstellung nach der Premiere (die ausführliche Rezension zur Produktion meines Kollegen erschien bereits online), kamen mir wirklich die Tränen! Bevor ich mich dazu kurz äußere gibt es weit Wichtigeres zu berichten: dem eigentlichen Objekt unserer Begierden der „Oper“, den musikalischen Komponenten, welche uns so süchtig machen nach der Droge „Musik“ und in meinem speziellen Fall „Wagner“. Kurzum jene Aspekte welche uns in die Opern- und Konzerthäuser treiben.

Es gibt sie noch, die großen magischen Momente der Oper! Auch manchem plakativen Abgesang auf der Bühne zum Trotz, war die Magie des musikalischen Augenblicks besonders dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der famosen Leitung von Bertrand de Billy zu danken.

Gleich zur Ouvertüre zeigte die große Verve, mit welcher die ambitioniert aufspielenden Musiker ans Werk gingen. Gut einstudiert folgten sie den präzisen, erfrischend zupackenden Anweisungen von Maestro de Billy, selten darf man den Notentext so adäquat, so fein austariert, mitreißend schwungvoll hören. Dabei ließ es der Dirigent zuweilen schon mal gehörig krachen, sausen, brausen wo wuchtigere Klänge gefragt, aber stets mit stilistischem Gefühl ohne zu lärmen. Konträr formte de Billy die zarten Lyrismen, die dynamischen Feinnuancen, die rhythmischen Raffinessen um sodann mit dem in allen Gruppen hervorragend disponierten Orchester, in bezwingenden Tempi die klanglichen Schönheiten der musikalischen Details auszubreiten. Man spielte übrigens die Dresden-Version der UA 1843, also ohne Aktschlüsse, ohne das Erlösungsfinale, jedoch mit Wagners späteren Korrekturen.

Hier war nicht nur Gewitter und Sturm gefragt, nein in straffer Führung fegte de Billy durch die Partitur, überzeugte  mit dem gesamten Klangapparat gleichwohl im dramatischen Impetus wie zur umsichtigen Solistenführung. Bravo!

Präsent, veritabel, in bester Klangkultur leisteten auch der Chor- und Extrachor (Tilman Michael) einen wesentlichen Beitrag zum exzellenten Gesamteindruck. Kernig, bestens ausbalanciert klangen die Herren, lyrisch fein abgestimmt boten die Damen den musikalischen Kontrast.

Im Zentrum des Geschehens steht natürlich der Titelheld, für diese Partie hatte die Intendanz  regelrecht eine Idealbesetzung engagiert: Wolfgang Koch. Grandios gestaltete der Sänger mit seinem plastisch artikulierenden, technisch äußerst intelligent geführten, mehr hellen als schwarzen Bassbariton den Holländer. In gezügelter Dämonie offenbarte Koch sehr beeindruckend vokale Facetten des deklamatorischen Tons, den vom Fluch charismatischen Getriebenen beim Monolog  Die Frist ist um. Zudem bewahrte sich der Sänger eine Weichheit in der Stimme, welche besonders während der verhaltenen Passagen zutage kam, so etwa bei der einleitenden Phrase zum Duett Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten. Dem übrigens solistisch Eindrucksvollsten des Abends.

Ja und jenes ersehnte, frauliche Bild, die traumverlorene Senta zeichnete Erika Sunnegardh mit lyrischen Pinselstrichen, ihrer sehr ansprechenden Sopranstimme. Dennoch ließ die Sängerin auch in Punkto Attacke kaum Wünsche offen, fielen doch dabei eingeschlichene Höhenschärfen kaum ins Gewicht. Darstellerisch sehr engagiert, demonstrierte Sunnegardh eindrucksvoll, wie selbstverständlich dramatische Gestaltung und Artikulation untrennbar beieinander liegen. Eindrucksvoll sang Frau Sunnegardh die vokal prächtig differenzierte Ballade, in der originalen  a-Moll-Fassung.

Daniel Behle, der lyrische bewährte Tenor, der exzellente Liedinterpret debütierte mit der schwierigen, oft unterschätzten Partie des Erik. Völlig entgegen sonstiger Hörgewohnheiten gestaltete Behle den verliebten, chancenlosen Jägerburschen souverän und höhensicher.

Die lyrischen Passagen seiner Traumerzählung erklangen in liedhaftem Schmelz, kamen seinem hellen Timbre mit den innigen Farbgebungen speziell entgegen, doch konnte der noch wagnerunerfahrene Sänger, in den dramatischen Momenten keineswegs überzeugen.

Als Luxusbesetzung darf  man  Tanja Ariane Baumgartner in der kleinen Rolle der Mary bezeichnen. Vorzüglich setzte die eindrucksvolle Sängerin ihre ebenmäßig geführte, wohlklingende Altstimme ein.

Markant, schönstimmig, prächtig mit weniger voluminösen Basston, bester Intonation, strömendem Legato und ausgezeichneter Artikulation stattete Andreas Bauer den mammongierigen  Daland aus. Mit schlankem, strahlendem Tenor trompetete Michael Porter das Lied des Steuermann von der Schlauchbootkante.

Alles in allem erlebte ich heute in Frankfurt nach bisher vielen Dutzend besuchten Holländer-Aufführungen, mit Sicherheit wenn man es so als Wagner-Belcanto formulieren darf, musikalisch die Schönste!

Doch leider gibt es kein vollkommenes Glück! Gewiss gelangen dem Regisseur David Bösch aus „seiner“ Sicht, personenbezogene, intensive Charakterstudien welche ich persönlich auch teils gutierte – doch verlor sich Bösch, wie zuvor viele „Andere“ in Verwendung wirklich aller gängigen  Klischees, in den Unzulänglichkeiten des modernen Regietheaters. Endlose, unsinnige Wiederholungen der Sprünge auf die Kiste, runter von der Kiste, es fehlte nur noch „in“ die Kiste, unfreiwillig komischem Revolver-Gefuchtel, Publikums-Blendungen  etc. Mein Gott, das haben wir doch alles schon x-mal gesehen und langsam finde ich´s zum ….  Damit kein falscher Eindruck entsteht, ich gehöre nicht zu den ewig Gestrigen! Seit Jahren plädiere ich für Inszenierungen (auch) auf leerer Bühne, sofern dort Sinnvolles geschieht. Grundsätzlich lehne ich aber als unverbesserlicher Ästhet, Werkverstümmelungen und dazu noch in derart schäbiger Optik ab.

Fazit: Als musikalischer Hochgenuss allererster Güte, sehr empfehlenswert! Die Szene reine Geschmacksfrage und für mich beim nächsten Besuch, nur genießbar mit Sonnenbrille oder geschlossenem Auge. Dem jugendlich-durchwachsenen, anwesenden Publikums schien´s zu gefallen! Oder galten die finalen Bravostürme lediglich nur den musikalischen Komponenten?

Gerhard Hoffmann

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