Berlin/ Philharmonie: Henry Purcells “THE FAIRY QUEEN, Semi-Opera. Joyful and very Britsh, 01.01.2016
Roderick Williams, Lawrence Zazzo(c) RIAS Kammerchor, Fotograf Kai Bienert
Solch ein vehementer und lang andauernder Jubel hat Seltenheitswert. Das Publikum in der schon länger ausverkauften Philharmonie war wirklich hin und weg vor Begeisterung, und das zu Recht.
Womöglich haben selbst die kühlen Briten bei der Londoner Uraufführung von Henry Purcells „The Fairy Queen“ im Jahr 1692 ihr Wohlgefallen ähnlich temperamentvoll geäußert. Nicht nur das Stück als solches fand immensen Gefallen, der Beifall galt auch – wie im Programmheft zu lesen – den verschwenderischen Kostümen und der opulent hergerichteten Bühne. Nach zeitgenössischen Berichten soll die Inszenierung zu Ehren des 30. Geburtstags von Queen Mary II etwa 3.000 Pfund gekostet haben, damals eine Wahnsinnssumme.
Solch einen Riesenaufwand kann man sich heutzutage beim Spezialthema Alte Musik nicht leisten. Doch auch mit bescheideneren Mitteln und einem Augenzwinkern erzielt Regisseur Christoph von Bernuth die beabsichtigte Wirkung. Das eigentliche „Mobiliar ist ein großes weißes Tuch, unter dem nächtens die Schlafenden liegen und ansonsten die Liebespaare verschwinden. Das reicht aus, weil der vielfach preisgekrönte RIAS Kammerchor, einstudiert von Martina Batič, nicht nur großartig und mit sicherem Stilgefühl die Tages- und Nachtereignisse singend kommentiert.
Die Damen und Herren überzeugen darüber hinaus durch Spielfreude beim inhaltlich kunterbunten Geschehen. Ein im Programmheft namentlich nicht genannter junger Tänzer ersetzt geschmeidig das einst übliche Ballett. Selbstverständlich ist Purcells fein ausgearbeitete Partitur, die – so Wikipedia – erst im frühen 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, bei der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Rinaldo Alessandrini in besten Händen. Die Präludien und Zwischenspiele, manch kleine „Symphony“, die Schlussmusiken und das insgesamt Märchenhafte, die Purcells Meisterschaft zeigen, gleiten genussvoll in die Ohren.
Wer dereinst das Libretto verfasst hat, konnten die Forscher bislang nicht einwandfrei klären. Auf alle Fälle bildet Shakespeares „Sommernachtstraum“ die Basis. Nach dem damaligen britischen Geschmack machte Purcell daraus bewusst eine Halb-Oper, bei der die drei Hauptfiguren sprechend die Handlung schildern, während sich die Musik eigenständig und locker drum herum rankt. So sprechen und spielen Hildegard Rützel die Feenkönigin Titania, Johannes Schendel den Oberon und Ingolf Horenburg sehr lustig den Bottom, der Eselsohren verpasst bekommt und dennoch, dank eines Zaubertranks -Titanias Liebe erringt.
Ruby Hughes als Laura(c) RIAS Kammerchor, Fotograf Kai Bienert
Großes Lob gebührt den Solisten, die jeweils mehrere Partien singend gestalten, insbesondere jedoch Ruby Hughes, zunächst als attraktive Titania im langen, leuchtend roten Mantel. Ihr schöner, klarer Sopran strahlt durch den Saal und rührt im 5. Akt in der Rolle der schwarz gekleidet klagenden, weinenden Laura fast zu Tränen. Für mich der gesangliche Höhepunkt der Aufführung.
Mit markigem Bass imponiert (insbesondere im Verlauf) Roderick Williams. Als Countertenor gefällt Lawrence Zazzo, während der warme, lyrische Tenor des jungen Stuart Jackson nur knapp bis in den Block D hinaufreicht.
Insgesamt ein begeistert aufgenommener Riesenspaß, very British mit Anspruch und genau der richtige Auftakt fürs Jahr 2016.
Ursula Wiegand