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ZÜRICH/ Opera Box: LES BAVARDS (Offenbach) / TRIAL BY JURY (Gilbert & Sullivan). Französischer und englischer Operetten-Humor

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Zürich: Les Bavards (Offenbach) und Trial by Jury (Gilbert &Sullivan)

besuchte Aufführung 3.1.2016

Französischer und englischer Operetten-Humor

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Erich Bieri (Sarmiento) und Daniel Camille Bentz (Lopez) in „Les Bavards“ . Copyright: Thomas Entzeroth

Jeweils zwischen den Jahren präsentiert die Opera Box, ein kleines aber initiatives Opernunternehmen in Zürich, Werke aus dem Repertoire der „leichten Muse“ und greift dabei in die „Wundertüte“ der selten gespielten Operetten. Offenbach hat mit „Les Bavards“ ein fast surrealistisches „Operettchen“ geschrieben, das nur so von verstecktem Witz und Ironie auf das allzu menschliche Verhalten abzielt. „Les Bavards“  (=Die Geschwätzigen) wird hier in den Dialogen deutsch gesprochen und im Original französisch gesungen. Die Bearbeitung und Inszenierung von Paul Suter versetzt die Stücke jeweils in die „quasi“-Gegenwart, verwahrt sich aber gegenüber allzu aktuellen Übertreibungen. Etwas gar um Publikumslacher bemüht, werden tagesaktuelle Vorkommnisse eingebaut (Blatter, Platini etc.), die aber der Genialität Offenbachs nicht viel anhaben können.

Etwas mühsam beginnen sich zu Beginn die Mühlenräder zu bewegen, aber dann kommt der Abend in Schwung und das ist nicht nur dem hervorragenden Sänger-Ensemble, sondern auch dem unter Andres Joho musizierenden ZKO (Zürcher Kammerorchester) zu verdanken. Dieses spielt eine reduzierte Orchesterfassung (Wolfgang Drechsler), wobei der Dirigent munter in die Tasten eines leicht verstimmten Klaviers (sehr passend!) greift. „Les Bavards“ handelt von einem schwerreichen Unternehmer, der sich sowohl vor seinen Gläubigern und der Polizei, als auch vor seiner geschwätzigen und energischen Frau in Sicherheit bringen muss. Der Charmeur Lopez kommt ihm dabei gerade recht, der mit viel Geschwätz die Damenwelt zu bezirzen weiss. Ein Deal  wird zwischen den beiden geschlossen. Aber wie es kommt so öfter eben, die Gattin behält die Oberhand und Sarmiento muss seiner Frau weiterhin das Szepter überlassen. Dazu hat Offenbach eine äusserst witzige Musik geschrieben, parodiert italienische Oper und auch sich selbst. Anders als die deutschsprachige Operette nährt sich die von Offenbach aus dem Situationswitz und ist selten „sentimental“.

Ganz hervorragend ist Jeanne Pascale Künzli als resolute Doña Beatrix, die sie mit Temperament, Komik und einem gut projizierenden Sopran ausstattet. Als ihr Mann Sarmiento war Erich Bieri mit einem künstlichen Bauch wie weiland Falstaff hergerichtet und besang mit vollem Bass seinen ihm selbst eingebrockten Jammer. Gut und vom Typ her blendend besetzt der vielseitige Tenor Daniel Camille Bentz, der den Charmeur Lopez gut gab und schliesslich seine Ines (Andrea Suter, hübsch aussehend und gefällig singend) in die Arme schliessen durfte. Witzig auch die beiden Uniformierten mit dem bewährten Ulrich Amacher und Bojidar Vassilev, die so in etwa wie Pat und Patachon wirkten. In weiteren Partien waren Sarah Padrutt (Conchita), Sabina Aeschlimann (Juanita), Isabelle Gichtbrock (Señora Esperanza), Yvonne Theiler (Señora Paquita), Matthias Müller (Don Héctor) und Jürg Krattinger (Don Bernadillo) zu hören bzw. zu sehen.

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Turbulenz im Gerichtssaal „Trial by Jury“   Barbara Hensinger (Lady Angelina) mit Ensemble. Copyright: Thomas Entzeroth

Nach der Pause wurde noch die Gerichts-Komödie „Trial by Jury“ des genialen Duos Gilbert & Sullivan angehängt. Hier nun wurde, nach einer länglich vorgetragenen Einführung durch Jürg Krattinger, ein „amusing piece of operetta“ vorgeführt. Wegen eines nicht gelösten Eheversprechens klagt Lady Angelina den Lebemann Edwin ein. Ein recht surrealistisch anmutendes Durcheinander (Choreographie: Andrei Cozlac) entsteht im Gerichtssaal, bis schliesslich der Richter sich in die Lady verliebt und die ganze Geschichte ein witziges Ende nimmt. Sehr gut hier wieder Ulrich Amacher als Judge, der die „sophisticated view“ des nicht ganz korrekten Richters gut rüberbrachte. Als Usher war Erich Bieri mit seinem einfordernden „Silence in Court!“ nicht zu überhören und konnte seinen Bass strömen lassen. Als Lady Angelina war Barbara Hensinger mit wohl klingendem Mezzosopran eine glaubwürdige und komödiantische Fast-Lady Diana – wer hätte die wohl verschmäht? Als Edwin war Daniel Camille Bentz in einer ihm zugepassten Rolle, wobei er sich sowohl darstellerisch als auch stimmlich hervorragend aus der „Affäre“ zog. Als Verteidiger der Lady liess Bojidar Vassilev seinen wohlklingenden Bariton vernehmen. In weiteren Partien waren – es seien stellvertretend genannt – Jörg Bentz (Verteidiger von Edwin), Jeanne Pascale Künzli (Gwyneth) und Andrea Suter (Scarlett) mit von der Partie. Auch bühnentechnisch – man sitzt U-förmig um die Spielfläche  – waren die Projektionen an den Wänden, insbesondere im Gerichtssaal, gut gelungen. Der solistisch besetzte Chor sang und spielte mehr als nur gut und der ganze Abend war ein voller Erfolg für diese auf Privat-Initiative gegründeten Opera Box, die jedes Mal wieder Schätze aus dem Fundes der leichten Muse hebt. Weiter so!

John H. Mueller

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