Johann Strauss: »DIE FLEDERMAUS«
- Jänner 2016
- Aufführung in der Inszenierung von Otto Schenk
Für die traditionellen Aufführungen zum Jahreswechsel kalkulierte man heuer offensichtlich mit der walzerseligen Vorfreude des Silvester-, der champagnergeschwängerten Stimmung des Neujahrs- und der unstillbaren Operettenneugier des noch verkaterten Jänner-Publikums. Denn anders sind manche Gesangsleistungen zumindest des gestrigen Abends nicht zu erklären. Aber der Reihe nach.
Stefan Soltesz kehrte nach dem Jahreswechsel 2012/13 wieder für Die Fledermaus ans Dirigentenpult zurück, ohne allerdings nennenswerte Akzente zu setzen. Das Staatsopernorchester, geführt von Albena Danailova und Hubert Kroisamer, tat routiniert guten Repertoire-Dienst, der Staatsopernchor ebenfalls.
Regine Hangler ersetzte nach ihrem (geplanten) Wiener Rollen-Debut zu Neujahr Ildiko Raimondi als Rosalinde. Andernorts feiert man sie als Daphne, in Wien war das Ensemble-Mitglied bisher in kleinen Partien zu erleben. Gestern wartete Frau Hangler nicht nur in den Ensemble-Szenen, sondern auch im Csárdás des öfteren mit unausgewogener Stimmgebung und unsauberen Koloraturen auf. Da hing nicht nur der Nebel über der Puszta, da ging schon bei »Glücklich ist, wer vergißt« der Atem vor der Zeit aus. Die Stimme wollte vor allem im ersten Akt im unteren Register nicht so recht ansprechen, während manche Höhe schon schrill klang. Entdeckungen hören sich anders an.
Ardrian Eröd ließ von ersten Ton an keinen Zweifel, wer der Herr im Hause Eisenstein war: Stimmlich wie darstellerisch in seinem Element, demonstrierte er vor allen anderen jene Gesangskultur und Spielfreude, welche man bei Preisen bis zu EUR 205,– pro Karte erwarten durfte.
Den ehemals düpierten, nun Rache nehmenden Dr. Falke spielte Clemens Unterreiner mit gewohnter Bühnenpräsenz und dem Bewußtsein einer absolvierten Sprechausbildung. Schade, dass sein kerniger, angenehm klingender Bariton bereits im Duett mit Eisenstein keine Zweifel über jene gesangstechnischen Mängel ließ, worin der ganzen Unterschied liegt.
Jochen Schmeckenbecher fügte mit dem Gefängnisdirektor Frank seinen Wiener »Wiener Partien« nach dem Musikmeister und dem Faninal eine weitere hinzu. Stimmlich fehlte ihm jene Fortüne, welche er librettogemäß bei der Eroberung Adeles hatte. Dabei wünschte man ihm, dass er an seinen Erfolg als Musikmeister anzuschließen vermöchte. Überraschend gut, wenngleich mit deutschem Einschlag, und sehr gut verständlich gelang dem Sänger allerdings der dritten Akt im Spiel mit Adrian Eröd und Peter Simonischek als »Frosch vom Dienst«. Letzerer lieferte nicht nur die ihm von Richard Genée und Karl Haffner in die Rolle geschriebenen Pointen und Stichworte, sondern überraschte auch mit dem einen oder anderen Extempore.
Herbert Lippert, an der Staatsoper der Tenor für »eh fast alles«, mühte sich hörbar mit der Partie des Alfred. An Anleihen aus anderen Werken und dem Komödiantischen gab es keinen Mangel, aber seine stimmliche Verfassung erlaubte ihm leider nur wenig gesangliche Gestaltung. Ähnliches muß vom Prinz Orlofsky der Zoryana Kushpler berichtet werden: Den ganzen Abend über war sie im Parkett schwer verständlich, fehlte es der Stimme an Volumen und Durchschlagskraft in der tiefen und mittleren Lage ebenso wie an der Kunst des Legato.
Annika Gerhards war die größte (Gesangs-)Partie des Abends anvertraut. So mutig es von der jungen Sängerin war, sich als Adele dem Publikum zu präsentieren, so sehr sie auch versuchte, das Wiener Stubenmädel in Wort und Spiel zu interpretieren: Wie schon als Sandmännchen/Taumännchen waren die stimmtechnischen Probleme nicht zu überhören. Kaum eine Phrase wurde ausgesungen, immer wieder waren Aussetzer im unteren Register zu notieren, Farbänderungen bei den Vokalen innerhalb einer Phrase gang und gäbe (wenn denn Phrasen und nicht nur einzelne Töne gesungen wurden). So sollte weder »die Unschuld vom Lande« noch »’ne Dame von Paris« klingen…
Als Vorstellungsserie mit internationalen Solisten geplant, mutierte die heurige Serie der Fledermaus-Aufführungen nach einigen Absagen also vor allem zu einer Leistungsschau des Staatsopern-Ensembles. Der aufmerksam zuhörende Opernfreund weiß von einem durchwachsenen Abend zu berichten: darstellerisch durchaus vergnüglich, gesanglich leider ernüchternd.
Thomas Prochazka
MerkerOnline
- Jänner 2016