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WIEN/ Staatsoper: IL BARBIERE DI SIVIGLIA

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WIENER STAATSOPER – 5.1.2016  – „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“


Wolfgang Bankl, Antonino Siragusa. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Das Rollendebut von Alessio Arduini fiel einem Virus zum Opfer, aber glücklicherweise fand sich Christopher Maltman als Einspringer. Sein Figaro ist ganz große Klasse. Schon in seiner Auftrittsarie setzt er nicht auf vordergründige Effekthascherei, sondern gestaltet die Phrasen sehr genau aus dem Text heraus. Die Stimme erscheint heller als bei seinem Prospero zu Saisonbeginn und er erfreut auch mit lebendigem Spiel. Leider scheint sich der Virus aber bei den Proben schon sein nächstes Opfer gesucht zu haben, denn Antonio Siragusa ließ sich wegen einer Indisposition entschuldigen. Während der Vorstellung war aber davon eigentlich nichts zu merken. Dank seiner perfekten Technik gelang ihm eine hervorragende musikalische Gestaltung mit herrlichen Diminuendi und klaren Koloraturen. Als Erzkomödiant ließ er szenisch sowieso nichts anbrennen und die einzige Konzession an die Indisposition war das Auslassen der Arie Cessa di più resistere. (Da hatte man aber im Dezember in der Cenerentola-Serie ohnedies die Möglichkeit, die Mezzofassung zu hören.) Als Bartolo konnte Wolfgang Bankl durchaus mit dem Haus-Bartolo von Alfred Sramek mithalten. Seine Stimme ist naturgemäß frischer, nur im Parlando des Prestoteils seiner Arie hat er leichte Probleme. Darstellerisch ist er weniger kauzig als Sramek, sondern mehr der Haustyrann (der doch von seinem Sohn so leicht an der Nase herumzuführen ist). Für die profunden Tiefen des Basilio steht Jongmin Park zur Verfügung, der mit seinem schönen, gut geführten Bass immer wieder aufhorchen lässt.

Ein Rollendebut als Rosina am Ring gab Adriana Kučerova. Bislang sang sie hier nur die Adina, aber für die Rosina wäre in den tieferen Registern schon mehr Durchschlagskraft nötig. Leider waren auch die Koloraturen teilweise sehr gepresst und verwaschen. Da sie sich im Laufe des Abends nicht wirklich frei singen konnte, sondern gegen Ende immer mehr Ermüdungserscheinungen auftraten, steht zu befürchten, dass der Virus sich schon das nächste Opfer auserkoren hat. Auch die zweite weibliche Partie präsentierte eine Rollendebutantin. Carole Wilson steuerte zwar in den Finali starke Spitzentöne bei, in ihrer Arie verfärbte sie aber die Stimme äußerst unnatürlich. Manuel Walser war ein braver Fiorello, der sich auch von einer sich um seine Beine wickelnden Schärpe weder aus der Fassung, noch aus der Balance bringen ließ, während Florian Tomaschitz am Ende einen verzweifelten und erfolglosen Kampf mit einer verklemmten Jalousie führte.

Am Pult stand mit Jean-Christophe Spinosi der Leiter des Ensemble Matheus. Der Korse mit Wurzeln in der alten Musik, entfacht schon in der (von Rossini mehrfach verwendeten) Ouverture das Feuer, das erklärt, warum Wien vor 200 Jahren einem Rossini-Fieber erlegen ist. Kleinere Differenzen in der Tempoauffassung wurden rasch bereinigt, so dass ein sehr vergnüglicher Abend zu vermelden ist.

PS: In der Pause fragte mich eine Touristin, ob es hier gestattet sei, in Shorts in die Oper zu gehen. Tatsächlich war im Parterre ein Gast mit wadenfreiem Beinkleid zu sehen. Das passt wohl weder zu einem Theaterbesuch noch zur derzeitigen Witterung.

Wolfgang Habermann

 

 

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