Innsbruck: „TURANDOT“ 3.1.2016 – Nicht monumental aber machtvoll
Paulo Ferreira als sympathischer Kalaf (mit Jennifer Maines als machtvoller Turandot). Copyright: Rupert Larl
Das Tiroler Landestheater demonstrierte wieder einmal, wie auch kleinere Theater den Anforderungen von einen großen Apparat fordernden Werken ohne wesentliche Einbussen gerecht zu werden vermögen. Im Falle der aktuellen Beschäftigung mit Puccinis unvollendetem Spätwerk beginnt dies bei der ganz auf die Personen konzentrierten Regie von René Zisterer, die im auf fahrbare Wandtürme und später Gerüste reduzierten, auch dank einer guten Beleuchtungs-Gestaltung nicht minimalistisch wirkenden Bühnenbild und überwiegend stimmigen Kostümen von Agnes Hasun gut zur Geltung kommt. Höhepunkte bringt der zweite Akt, wo nicht nur die wirkungsvoll aufgebaute Rätselszene mit dem Triumph Kalafs, sondern vor allem die durchaus auch lang erscheinen könnende Szene der drei Minister dank einer originellen Bewegungsregie in von Bühnenarbeitern wie Marionetten bewegten Sesseln und der mimisch beweglich und vokal homogen aufeinander abgestimmten Besetzung mit Florian Götz (Ping), Florian Stern (Pang) und Joshua Lindsay (Pong) unterhaltsam kurzweilig geriet.
Während die Folterung Lius dankenswerterweise nicht übertrieben brutal exekutiert wird, überzeugt Kalafs Bezwingung der eiskalten Prinzessin gar nicht. Der plötzliche Anfall einer angedeuteten Vergewaltigung, indem er sie an die Mauer drückt, passt so gar nicht zur musikalischen Entwicklung des Schlussduetts, und schon überhaupt nicht zu einem so sensiblen und mit feinen vokalen Mitteln zu Werke gehenden Kalaf wie Paulo Ferreira. Der Tenor soll als einzige Doppel-Besetzung und somit in der bereits besprochenen Premiere noch nicht berücksichtigt, im Mittelpunkt dieser Gesamtwürdigung stehen. Der Portugiese gehört zu den Rollen-Interpreten, die auch aufgrund der stimmlichen Gegebenheiten die heldisch angelegte Partie des auf der Flucht befindlichen Königssohnes äußerst differenziert, wo nur möglich mit lyrischer Feinarbeit und Nuancierung angehen und sich dann umso wirkungsvoller zu den großen Ausbrüchen steigern. Es dürfte einer nicht optimalen Verfassung zuzuschreiben sein, dass er an diesem Abend nicht ganz verbergen konnte, wie anspruchsvoll sein Part in den Höhenattacken ist, aber dennoch alles im Spitzenbereich außer des klugerweise weggelassenen hohen Cs am Ende der Rätselszene klar und sicher bewältigte. Unterstützt von einer eher gebremsten Beweglichkeit gewann er dem gern als Kraftprotz angelegten Kalaf mehr Sympathie ab, so dass es ihm zu wünschen gewesen wäre, dass sich Turandot wie hier am Ende nicht wieder in ihr Reich zurück zieht.
Die Prinzessin selbst ist mit der hauseigenen Jennifer Maines Respekt gebietend besetzt. Kaum zu glauben, welches üppige Potenzial in dieser körperlich kleinen, spielerisch beweglichen Sopranistin steckt, die sowohl den leiseren Tönen viel Farbe und den stählernen Ausbrüchen Ensemble überstrahlende Intensität zu geben vermag. Eventuell auch verfassungsabhängig gelangen ihr in dieser Vorstellung nicht alle Höhen kernig und rund, aber machtvoll. Es muss für jede Interpretin dieser Rolle schon etwas bitter sein, dass aller Verdientheit zum Trotz ihre Rivalin Liu, hier die gewohnt mit viel Herz, Innigkeit und inzwischen vollerem und glänzenderem Ton begeisternde Susanne Langbein den Sympathiebonus des Publikums genießt und mit einem Jubelsturm bedankt wird. Michael Hauenstein überzeugt als Timur mit schön timbriertem und kultiviert geführtem Bass, Dale Albright als passend müde wirkender Kaiser Altoum und Stanislav Stambolov als wohl vernehmbar verkündender Mandarin.
Die zentral wichtigste Funktion des Volkes bot für den Chor des Hauses inkl. eines Extra- und Kinderchores eine große Herausforderung an klanglicher Ballung bei gleichzeitiger Durchhörbarkeit sprachlicher Details sowie atemtechnischem Rüstzeug für groß und weit gespannte Einsätze. Michel Roberge hat diesbezüglich exzellente Einstudierungsarbeit geleistet.
Alexander Rumpf animierte das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck bei akzeptabler Lautstärke-Entwicklung zu schmelz-und gefühlvollem Spiel mit überwiegender rhythmischer Prägnanz und großbogigen Steigerungen.
Udo Klebes