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STUTTGART/ Liederhalle: DREIKÖNIGSKONZERT „Papa Haydn gibt den Ton an“

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Dreikönigskonzert mit dem Stuttgarter Kammerorchester im Beethovensaal der Liederhalle

PAPA HAYDN GIBT DEN TON AN

Dreikönigskonzert mit dem Stuttgarter Kammerorchester am 6. Januar 2016 im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

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Sharon Kam. Copyright: Maike Helbig

Drei Werke besaßen an diesem Abend eine geistige Verbindung. Das fulminante Konzert unter der inspirierenden Leitung von Matthias Foremny wurde eröffnet mit Joseph Haydns vorletzter Sinfonie Nr. 103 in Es-Dur „Mit dem Paukenwirbel„. Da musizierte das Stuttgarter Kammerorchester wirklich wie aus einem Guss und sehr transparent.

Dies merkte man sogleich beim geheimnisvoll einsetzenden dunklen und sinnenden Thema. „Dies irae“-Assoziationen erhielten klare Akzente. Unbekümmert kam das Hauptthema daher, dessen Feinheiten Matthias Foremny mit den versierten Musikern einfühlsam auskostete. Auch das Bassthema ließ nichts zu wünschen übrig. Es fügte sich schließlich schwungvoll in die Allegro-Coda ein. Leidenschaftliche Klarheit erinnerte dabei zuweilen an Beethoven – auch Anklänge an Haydns „Oxford“-Sinfonie machten sich in reizvoller Weise bemerkbar. Schattierungen von c-Moll nach Es-Dur arbeitete Foremny mit dem Stuttgarter Kammerochester facettenreich heraus. Trompeten und Pauken lieferten sich einen rasanten Wettstreit, nachdem das Paukensolo zu Beginn der Sinfonie einen regelrechten Improvisationszauber ausgelöst hatte. Und das erhabene Andante erinnerte bei dieser ausgefeilten Wiedergabe tatsächlich an das Haydnsche „Kaiserquartett“. Das für Viotti komponierte Violinsolo gestaltete die Konzertmeisterin Susanne von Gutzeit ausgezeichnet. Und die starken Trompetenpassagen verkündeten auch kriegerische Momente. Die sinfonische Verarbeitung im Stil Beethovens meldete sich bei dieser Wiedergabe beim Menuett ebenfalls in gelungener Art, wobei wiederum das vorzügliche Zusammenspiel der Streichergruppe in exzellenter Weise hervorstach. Die umgedrehte Punktierung fiel in ihrer Präzision besonders positiv auf. Im Finale begeisterte nochmals die hymnische Kraft des Zusammenspiels. Das zweiteilige Thema mit den in den Hörnern zuerst auftauchenden Unterstimmen und den Violinen in den Oberstimmen konnte sich bestens entfalten. Wie kunstvoll „Papa Haydn“ hier die beiden Motive verarbeitet hat, machte das ausgezeichnete Stuttgarter Kammerorchester unter Matthias Foremnys Leitung einmal mehr deutlich. Barocke Polyphonie und klassische Melodie wuchsen hier  beglückend zusammen.

Berührend gestaltete die Ausnahmeklarinettistin Sharon Kam dann das berühmte Klarinettenkonzert in A-Dur KV 622 von Wolfgang Amadeus Mozart. Mozart schrieb es etwa acht Wochen vor seinem Tode. Mit voller Wärme gestaltete sie das Kopfthema, dessen leidenschaftliche Innigkeit sich bewegend entfalten konnte. Orchester und Klarinette verschmolzen in wunderbarer Weise zur C-Dur-Einheit beim zweiten schwelgerischen Thema. Im harmonischen Wechselspiel mit dem Orchester erreichte Sharon Kam ein bewundernswertes Gleichgewicht. Die spieltechnische Intensität nahm stets zu. Sphärenhaft und geradezu erdentrückt gestaltete sie daraufhin das Adagio, dessen Geheimnisse wie in einem Spiegel der Seele hervorschimmerten. Höchst sensibel kam es dabei zur Zwiesprache der Klarinette mit dem differenziert musizierenden Stuttgarter Kammerorchester. Selbstironie minderte den betörenden Zauber der unbekümmerten Spiellaune nicht. Als Zugabe interpretierte Sharon Kam in eindringlicher Weise „Summertime“ von George Gershwin. Zum Abschluss imponierte noch die leuchtkräftig gespielte Symphonie Nr. 1 in D-Dur op. 25 „Symphonie classique“ von Sergej Prokofjew, die stark von Joseph Haydn inspiriert worden ist. Das zweite Thema des ersten Allegro wurde sehr suggestiv hervorgehoben. Rhythmische, harmonische und melodische Feinheiten der Partitur glitzerten in Arabesken, Kaskaden und Nuancen. Und die empfindsame Melodie des Larghetto mit dem markanten Fagott-Thema wurde ausdrucksvoll betont. Bei der Gavotte konnten sich die Flöten- und Klarinettenmelodie profilieren. Matthias Foremny achtete hier auf alle Details. Im Finale sprudelten die Einfälle in immenser Fülle hervor und rissen die Zuhörer schwungvoll mit. Vor allem das Flötenthema verbreitete elektrisierende Funken. Als Zugabe war noch sehr elegisch und melancholisch ein kurzes Stück von Edward Elgar zu hören. Dieses Konzert war eine Veranstaltung der Kulturgemeinschaft. 

Alexander Walther

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