Dresden / Semperoper: SONDERKONZERT FÜR UND MIT RUDOLF BUCHBINDER IM HINBLICK AUF SEINEN 70. GEBURTSTAG – 10.1.2016
Seit vielen Jahren gehört der international sehr geschätzte und beliebte Pianist Rudolf Buchbinder auch zu den besonders geschätzten Solisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden und den beliebtesten Interpreten des Dresdner Publikums. In der Konzertsaison 2010/2011 war er der erste Künstler, dem die Sächsische Staatskapelle den Titel “Capell-Virtuos“ verlieh. In dieser Spielzeit spielte er auch den vielgepriesenen Beethoven-Sonaten-Zyklus auf CD ein, der allen, die diesen Live-Mitschnitt in sieben Matinee-Konzerten in der Semperoper miterleben konnten, unvergesslich bleibt.
Jetzt feiert die Sächsisches Staatskapelle seinen 70. Geburtstag (im Voraus) mit einer Tournee durch Österreich und Deutschland, bei der er in jeweils unterschiedlichen Konstellationen drei der späten „Klavierkonzerte“ (KV 466, KV 467 und KV 595) von Wolfgang Amadeus Mozart, die ihm besonders am Herzen liegen, sowie das „Konzertstück f‑Moll“ (op. 79) von Carl Maria von Weber, das letzterer während seiner Dresdner Kapellmeisterzeit komponierte, „in eigener Regie“, d. h. wie auch Mozart seinerzeit vom Klavier aus leitend, aufführen wird. Nach eigener Aussage erfüllt sich Buchbinder mit der Aufführung dieser drei Mozart-Konzerte auch selbst einen lang gehegten Wunsch.
In einem Sonderkonzert (10.1.), bei dem die beiden „Klavierkonzerte B‑Dur“ (KV 595) und „C‑Dur“ (KV 467) sowie Webers „Konzertstück“ auf dem Programm standen, bescherte ihm die Sächsische Staatskapelle schon einmal ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk (der eigentliche Geburtstag ist der 1. Dezember) und dem Dresdner Publikum ein besonderes musikalisches Ereignis.
Fast 70 Jahre „jung“ und noch kein bisschen leise, außer bei einem schönen, klangvollen Piano oder Pianissimo, sondern sehr aktiv und in pianistischer Top-Form widmete sich Buchbinder Mozart und Weber mit gleicher Intensität.
Bereits mit den ersten Tönen fühlte man sich in Mozarts Geisteswelt versetzt. Trotz Vormittagsstunde – das Konzert fand als Matinee statt – waren er und die Kapelle sofort in ihrem Element und begannen Mozarts „Klavierkonzert B‑Dur“ (KV 167) mit musikantischem Schwung und klangvoller Frische. Sie steigerten sich bis zum klangschwelgerischen 3. Satz, bei dem sich gegen Ende Buchbinder und die tiefen Streicher in „himmlischem“ Gleichklang befanden.
Buchbinders Klavierspiel hat etwas unmittelbar Faszinierendes, Bezwingendes, eine geistige Ausstrahlung, die sofort gefangen nimmt. Er ist einer der wenigen Pianisten, die (noch) über einen besonders schönen, klangvollen, den berühmten „perlenden“ Anschlag verfügen, der allein schon ein Konzert hörenswert macht. Bei ihm klingt jeder Flügel. Vom sehr feinen Piano bis zu einer angemessenen Temperamentsentfaltung kann er, immer in Maßen und dem Charakter eines Werkes und seinem Komponisten verpflichtet, so viel mehr ausdrücken als manch anderer Pianist mit Kraftaufwand, starken Kontrasten und hartem Anschlag.
Hinzu kommt bei Buchbinder eine geistige Ausstrahlung, die aus seinem ganz persönlichen Verhältnis zur Musik und einer intensiven Beschäftigung mit den aufgeführten Werken resultiert. Buchbinder sammelt Erstausgaben von Mozart, Beethoven und anderen Komponisten und studiert diese „Ausgaben aus erster Hand“ als Grundlage seiner Interpretation. Für ihn ist es wichtig, sich auch mit der Zeit, in der das Werk entstanden ist, und den damaligen Arbeitsprozessen zu beschäftigen.
Die Erstausgabe von Mozarts Klavierkonzert KV 467 fand er übrigens in einem Dresdner Antiquariat. Bei diesem Konzert konnte er sich mit seinem inneren Verhältnis zur Musik Mozarts in umfangreichen Solopassagen voll entfalten. Es war eine grandiose Wiedergabe.
Bei der Wiedergabe aller drei Werke spürte Buchbinder auch mit dem Orchester den Intentionen der Musik nach, und die Orchestermusiker mit ihm. Beide Partner verstanden sich gefühls- und verstandesmäßig in ihrer Liebe zu Mozart und der Musik allgemein, auch ohne große Zeichengebung. Solist und Orchester verbanden sich wie „ein Herz und eine Seele“ in „gemeinsamer Sache“. Sie „atmen gemeinsam“ wie es Buchbinder ausdrückt. „Es besteht stillschweigende Einigkeit über viele musikalische Fragen. Die Staatskapelle ist ein unglaublich musikantisches Orchester, jeder Musiker freut sich auch Mal auf Selbständigkeit, darauf, gemeinsam eine Interpretation zu finden … – das ist gerade bei Mozart eine Grundlage der Interpretation.“
Webers „Konzertstück“ war wie ein „Ausflug“ in eine ähnliche Welt wie die Mozarts und stand mit einer Wiedergabe in natürlich fließender Klangschönheit der Wiedergabe der Mozartschen Klavierkonzerte in nichts nach.
Das Konzert fand vor dem Schmuckvorhang statt – wie bei der Kammermusik – und wies neben dem festlichen Charakter eines großen Konzertes auch eine ähnliche feinsinnige Differenzierung und Intimität wie die Kammermusik auf.
Ingrid Gerk