Richard Wagner: »Die Walküre“
13. Jänner 2016
24. Vorstellung in dieser Inszenierung
Christopher Ventris, Waltraud Meier. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Adam Fischer avancierte in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Dirigenten an der Wiener Staatsoper. Und wenn man ihm dann den Ring des Nibelungen anvertraut und für die Aufführungen auch Proben zugesteht, dann — ja, dann muß es in der Walküre nicht bis zum dritten Aufzug dauern, ehe sich das »hehrste Wunder« einstellt.
Zu berichten ist von einem keineswegs fehlerfreien, aber intensiven und dadurch großen Abend. Christopher Ventris zeigte als Siegmund im ersten Aufzug vor allem zu Beginn einige Probleme mit der deutschen Sprache und auch so mancher Phrase, doch mit dem Eintritt Hundings — gesungen von Ain Anger und ebenfalls mit stimmlicher Steigerung bis zu seinem Tod — wurde man Zeuge eines spannenden Kammerspiels auf hohem Niveau. Wie Hunding und Siegmund einander auch mit gesanglichem Ausdruck belauerten, der eine dem entdeckten Feind das Gastrecht gewähren müssend, der andere auf eine Fluchtmöglichkeit sinnend und dabei von Sinnen, seit er Sieglinde geschaut, das wurde im Haus am Ring schon lange nicht mehr musikalisch so dynamisch fein schattiert erzählt. Dabei machte es Adam Fischer seinen Zuhörern nicht leicht: Mit seiner vor allem in der ersten Hälfte des Abends durch langsame, allerdings immer ausschwingende Tempi gekennzeichneten und dabei doch nie stockenden Interpretation forderte er jene Konzentration des Publikums, die heutzutage aus der Mode gekommen zu sein scheint und Musiktheater doch erst zu jenem Erlebnis macht, nach dem sich der Opernfreund sehnt.
Der Wotan von Tomasz Konieczny durfte da über weite Strecken piano gestalten, Michaela Schuster als Fricka demonstrieren, dass ihre Stimme nicht immer und in allen Lagen schneidend klingt. Darf man sich wünschen, dass Tomasz Konieczny jene vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten, welche er gestern hören ließ, auch bei der für Ende Jänner in Aussicht genommenen Partie des Mandryka einsetzen wird?
Das glänzend disponierte Staatsopernorchester (geführt von Rainer Honeck und Albena Danailova) demonstrierte, daß es sich so oft unter seinem Wert schlägt: Man heißt das dann »Dienst«. Wie da gestern z.B. im zweiten Aufzug die Trompeten im Nichts verhallten ohne zu gicksen, das war beeindruckend.
Die gestrige Aufführung erschien szenisch so detailliert gearbeitet, wie man sie schon lange nicht mehr erleben durfte. Davon profitierte auch die von Linda Watson gesungene Brünnhilde mit einer vor allem in den leisen Passagen gut geführten Stimme. So möchte man sie gerne öfter hören. Die stimmliche und gestalterische Intensität im Spiel mit Tomasz Konieczny machte das Drama um Gehorsam und Trotz der Walküre für einige Besucher vielleicht zum ersten Mal erfahrbar. Das war mitreißend und dabei über weite Strecken textdeutlich. Ehe man sich’s versah, nahm Wotan schon mit zum Teil ersterbender Stimme von seiner Lieblingstochter Abschied. Ob auch Tomasz Konieczny selbst von Rührung übermannt wurde?
Das »hehrste Wunder« des Abends war allerdings die Sieglinde von Waltraud Meier. Ohne noch einen Ton gesungen zu haben, gehörte ihr bereits das Publikum. Wie klug sie, die — das darf man denn doch feststellen — den Zenit ihrer Karriere bereits überschritten hat, die Sieglinde vor allem mit gesanglichen Mitteln gestaltete, wie legato und zurückgenommen sie zu phrasieren wußte, nur um Sekunden später kraftvoll auszusingen, wie sie mit kleinen Gesten und Bewegungen die zu Siegmund gefasste Zuneigung auszudrücken vermochte, ohne dass es auch nur eine Sekunde lang aufgesetzt wirkte: Das scheidet die wirklich großen Sänger von der Masse. Und wie sie dann schließlich vom »hehrsten Wunder« sang, das konnte einem der Schönheit wegen schon die Tränen in die Augen treiben…
Großer Jubel.
Thomas Prochazka
MerkerOnline
13.Jänner 2016