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LINZ/Landestheater/ Stammhaus „Arena“: GRAND HOTEL . Musical von Luther Davis/George Forrest/Maury Yeston. Premiere

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Premiere des Landestheaters Linz in der Arena/Stammhaus am 16. Jänner 2016

Grand Hotel

Musical von Luther Davis (Buch), Robert Wright und George Forrest (Musik und Gesangstexte) und Maury Yeston (zusätzliche Musik und Gesangstexte) nach Vicky Baums Roman Menschen im Hotel

Deutsch von Roman Hinze
Österreichische Erstaufführung

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Copyright: Reinhard Winkler/Landestheater

Hedwig „Vicki“ Baum wurde 1888 in Wien geboren. Sie erlernte am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde das Harfenspiel und war an diesem Instrument nach Wiener Engagements in Deutschland tätig, beispielsweise im Darmstädter Hof- und Kammerorchester. Zuerst nebenbei, begann sie belletristisch und journalistisch zu schreiben, mit wachsendem Erfolg ihrer „zeitnahen“ Geschichten. Ihr internationaler Bestseller, ein sogenannter Kolportageroman mit Hintergründen, „Menschen im Hotel“ spielt 1928 in Berlin, kurz vor der Weltwirtschaftskrise, als die Zwanziger Jahre noch golden waren. Im Mittelpunkt stehen der vereinsamte, psychisch und physisch deformierte Mensch sowie der Verfall bürgerlicher Werte. Der Roman spielt nahezu ausschließlich in einem Berliner Luxushotel und lebt von den Beziehungen, die zwischen den dort abgestiegenen Gästen entstehen (zit. aus Texten des LTL und aus wikipedia).
In einem ersten Anlauf Ende der 50er hatten Davis/Wright/Forrest schon einmal eine Musicalbearbeitung „At the Grand“ versucht (wobei die Tänzerin zur Operndiva mutiert war, die Züge der Callas tragen sollte, und Berlin durch Rom ersetzt wurde), die aber über Voraufführungen in Los Angeles und San Francisco nicht hinauskam. Dreißig Jahre später gaben sie den Stoff dem Regisseur Tommy Tune, der eine temporeiche und teils mit Parallelszenen gestaltete Revue daraus machen wollte, sich dabei aber mit den Autoren überwarf, und die Produktion schließlich mit der autorlichen Hilfe von Maury Yeston fertigstellte. Diese Version mit ihrer Broadway-Premiere am 12. November 1989 war schließlich mit 1017 Vorstellungen höchst erfolgreich.

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Copyright: Reinhard Winkler/Landestheater

Das gut 200 Jahre alte Landestheater an der Linzer Promenade harrt ja seit Eröffnung des Musiktheaters einer neuerlichen gründlichen Renovierung, und bis diese im Sommer des heurigen Jahres beginnt, hat man eine spezielle Zwischenlösung installiert: Das Parkett wurde mit einer Platte überdeckt, die die Ebene der Bühne bis zur Balustrade des 1. Ranges fortsetzt, und im Bühnenraum wurde ein Gegenstück des Halbrundes des 1. Ranges aufgestellt. Das Ergebnis ähnelt einer Arena – naturgemäß mit eingeschränkter Technik, aber dafür mit einer wesentlich engeren Beziehung zwischen Bühne und Zuschauern als es die Guckkastenbühne kann.
Die szenischen Ideen von Tommy Tune legen nahe, daß sich das Werk für so eine spezielle Bühne gut eignen könnte – mit einigen gestuften Plattformen, wandelbaren Kulissenteilen und einem prächtigen Theatervorhang, der sich bisweilen aus dem immer noch ordentlich ausgestatteten Schnürboden herabsenkt (und an „Hoffmanns Erzählungen“ vor einigen Jahren erinnert…?) schaffen Karl Fehringer und Judith Leikauf eine praktikable, aber nüchterne, nicht unbedingt ein Grand Hotel suggerierende Hülle für die Schicksale und Konflikte, die Vicky Baum einst festhielt. Im Gegensatz dazu sind die Kostüme (Silvia Fritz) lupenrein auf das Jahr 1928 und die sie tragenden Rollen zugeschnitten.
Die Musik ist dort, wo sich (wohl durch Wright und Forrest) die 20er-Jahre mit Charleston und Tango durchsetzen, unterhaltsam und flott und, mit Anleihen bei Weill, Gershwin & Co durchaus ideenreich und komplex. Dann aber sind – meist lyrische – Passagen enthalten, die sich sehr nach dem langweilig-klischeehaften Musical-Einheitsbrei der letzten Jahrzehnte anhören. Am engagiert und stilsicher aufspielenden, jazzigen Orchester unter Bela Fischer jr. liegen diese Durchhänger freilich nicht, und genauso wenig an den Sängerinnen und Sängern.

Die Inszenierung von Andy Hallwaxx nutzt das große Oval gut und hält einen spannenden Rhythmus zwischen Solo- und Parallelszenen wie Massenszenen; auch die Choreografie von Simon Eichenberger trägt zu diesem bunten Bild viel bei – bis hin zu einer Szene, in der ein Protagonist vom Teufel (eigentlich: einer Teufelin) geholt wird.
Der aus der Kaiserzeit herüberragende, äußerlich und innerlich kriegsversehrte Oberstarzt Dr. Otternschlag, der dauerhaft im Hotel domiziliert, fungiert weniger als Teilnehmer der Handlung denn als Erzähler und Kommentator; Erich Josef Langwiesner verleiht ihm profunde Persönlichkeit.
Generaldirektor Hermann Preysing, der, als arroganter, aber einigermaßen ehrlicher Manager an seine Grenzen stößt und daraufhin „dem Raben gleich den krummen Weg geht“, damit schlußendlich erst recht in die Bredouille kommt, wird von Georg Bonn präzise und glaubwürdig (nicht nur) unsympathisch auf die Bühne gestellt.

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Konstantin Zander, Anais Lueken. Copyright: Reinhard Winkler/Landestheater

Eine Tippse mit Ambitionen auf Höheres (und einem gynäkologischen Verzögerungsproblem), genannt Flämmchen, wird von Anaïs Lueken vorzüglich gespielt, getanzt und gesungen. Otto Kringelein, ein finanziell wie gesundheitlich armer Hund, der sich vor seinem Ende noch ein paar Wochen LEBEN gönnen möchte und dabei in die Intrigen und Probleme der anderen Hotelgäste verwickelt wird, ist mit Rob Pelzer ebenso gut besetzt – er spielt die ganze Gefühlsskala rauf und runter und kommt als Sänger ebenso gut zur Geltung wie als zuerst unbeholfener, dann immer eleganterer Tänzer.

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Rob Pelzer. Copyright: Reinhard Winkler/Landestheater

Das wichtigste Protagonistenpaar besteht aus dem in Kriminalität und Zynismus abgedrifteten, aber doch noch nicht ganz gefühlserkalteten Baron Felix von Gaigern, der von Alen Hodzovic überzeugend gespielt und erstklassig gesungen wird, und der immer wieder auf Abschiedstournee befindlichen, von Versagensängsten geplagten Tänzerin Elisaweta Gruschinskaja; Daniela Dett verleiht ihr mit hervorragender Stimme und diskret-bemüht gespielter Eleganz zerbrechliche und berührende Präsenz.
Ihr “Mädchen für alles” und oft einziger Halt, Raffaela, wird von Ariana Schirasi-Fard mit warmem Herzen und schön geführter Stimme gegeben.
Konstantin Zander spielt den Portier Erik, in Ängsten und Nöten wegen einer schweren Geburt seiner Frau und dem übergriffigen Hotelmanager von Harald Bodingbauer, „die beiden Jimmies“ Julius Williams und Cedric Lee Bradley bewähren sich als akrobatische Tänzer, Sänger und Komödianten.
Peter-Andreas Landerl gibt mit Witz und Prägnanz einen fordernden Impresario und einen Tanzlehrer unsteten sexuellen Aufenthaltes. Auch Riccardo Greco stellt mehrere grundverschiedene Charaktere entsprechend differenziert dar – vom Hotelfriseur über einen no-nonsense-Anwalt bis zum Polizisten, der den schließlich zum Mörder gewordenen Preysing festsetzt. Immer wieder zwischen den Stühlen findet sich Eva-Maria Aichner als Ballettmanagerin.
Das Ensemble Philip Ranson, Jerôme Knols, Clara Mills-Karzel und Lynsey Thurgar ergänzt u. a. mit vielen kleinen, feinen Soloauftritten das insgesamt erfreuliche Bild der darstellerischen Leistungen.
Zufriedener Applaus für Ensemble und Produktionsteam.

H & P Huber

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