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WIESBADEN: KATJA KABANOVA. Premiere

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Wiesbaden: Janácek: Katja Kabanowa Premiere am 16. Jänner 2016

Janáceks Meisterwerk nach Ostrowskis „Das Gewitter“ lässt Regisseur MATTHEW WILD in einer postsowjetischen Plattenbausiedlung spielen. Putins Konterfei lächelt als Wahlplakat an der Bushaltestelle, ein etwas liebloser Spielplatz mit Schaukeln und einer Sojus-Kletterrakete gibt der Handlung das Ambiente. Hinten ein Hochhaus, in dem die Protagonisten wohnen und sich an Fenstern zeigen. Die Bühne von MATTHIAS SCHALLER und SUSANNE FÜLLER, die auch die Kostüme zeichnet, wirkt dennoch steril und bietet für die Einzelszenen letztlich nur einen allgemeinen Raum. Stark ist die Inszenierung im Lyrischen, im Dramatischen bleibt sie leicht verhalten und gehemmt. Das Element Wasser wird sowohl als Bühnenuntergrund, bei dem sich die Darsteller mit Spiellust oft gänzlich nass machen, wie als Videozuspielung wirkungsvoll zentriert.

Das Chargieren zwischen Realismus und Phantasiesequenzen (z.B: die drei Teufel, der „Brandanschlag“) gelingt nicht immer schlüssig, böte aber noch mehr Raum für Entfaltung bei größerer Konsequenz. Dass ein Gulllideckel nicht federleicht aus Styropor sein kann und der auszuklopfende Teppich nicht im Mindesten schmutzig ist, sind kleine Unaufmerksamkeiten, die hingegen manche starken darstellerischen Eindrücke nicht trüben können.

Insgesamt zeigt Matthew Wild eine stimmige Arbeit mit sehr gutem Personal.

Im Mittelpunkt steht SABINA CVILAKS Katja. Sie spielt eine emotional gefasste, depressive junge Frau, sensibel nach innen gewandt und selbst in Liebeswallungen sich selbst zernagend. Ihr runder lyrischer Sopran kommt an keine Klanggrenzen und besonders im Pianissimo kann sie in dem großen Wiesbadener Haus weit leuchten und ihre Seele wie unter einem Brennglas vergrößern.

Eine große Leistung.

MIRKO ROSCHKOWSKI als Boris liegt vokal wunderbar auf der Rolle; mit großem lyrischen Tenor singt er einen fast scheuen Verliebten. Beide kommen in ihrer Liebesszene ganz sängerisch ins Schwärmen, darstellerisch zügeln sie sich -regiebedingt- sehr.

Katjas Ehemann Tichon wird von AARON CAWLEY souverän und breitstimmig gesungen. Ganz unter der Fuchtel seiner gefühlskalten Mutter Kabanchina, die DALIA SCHAECHTER mit herrischer Matronen-Attitüde und nicht ohne augenzwinkernde Selbstironie verkörpert, kann er als Mensch sich nicht entfalten.

Ein auffälliges und großes Debüt gelingt SILVIA HAUER als Warwara. Selten hat man diese Rolle so gewichtig wahrgenommen, denn sowohl mit ihrem warmen Mezzosopran wie mit ihrer natürlichen Darstellungsfreude wird sie ein Drehpunkt dieser Inszenierung.

Ihr Freund Kudrjasch alias BENEDIKT NAWRATH spielt beherzt mit, wenn auch sein Tenor eine gewisse Enge nicht ablegen kann. Seine mangelnde Sonorität und stimmliche Autorität versucht WOLF MATTHIAS FRIEDRICH als polternder Dikoj mit überengagiertem Spiel auszugleichen. CHRISTIAN BALZER als Kuligin spielt überzeugend einen senilen Greis.

Die übrigen von Chorsolisten übernommenen Rollen sind treffend besetzt und auch der Chor unter der Leitung von ALBERT HORNE macht auf und hinter der Bühne einen sehr positiven Eindruck.

Das Wiesbadener Staatsorchester klingt in blendender, selten so harmonischer Verfassung.

ZSOLT HAMAR findet den richtigen Zugriff auf die Partitur, die er sachlich strukturiert, aber auch weit fliessen lässt. Er betont die lyrische Seite weit mehr als üblich, lässt dadurch aber auch immer durchsichtig genug spielen und gibt so dieser Musik Atem und Raum.

Dem Premierenpublikum gefällt es zu Recht, wenngleich der Applaus dezent wiesbadenerisch ausfällt.

Christian Konz

 

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