München: Bayerische Staatsoper: „DON GIOVANNI“, 17.01.2016:
Die Münchner „Don Giovanni“-Inszenierung von Stefan Kimmig aus dem Jahr 2009 ist eher nicht geeignet, ein begeistertes Publikum in Scharen ins Nationaltheater zu locken. Das größte Manko der Produktion ist dabei nicht die trostlose, unattraktive Atmosphäre des Containerhafens, in dem die Oper spielt, als vielmehr die verunglückte Personenregie, die Interaktion zwischen den Protagonisten größtenteils unterbindet, was natürlich gerade bei Don Giovanni dem Inhalt des Stücks völlig zuwider läuft.
Daher braucht es schon einen besonderen Grund, um eine „Don Giovanni“-Vorstellung in München zu besuchen. Zum Beispiel ein hervorragendes, homogenes Sängerensemble, angeführt von Erwin Schrott in der Titelpartie. Seine Bühnenpräsenz, sein Showtalent und seine absolute Identifikation mit der Rolle, auch in dieser Produktion, machen die Vorstellung nicht nur sehenswert, sondern zu einem Ereignis. Stefan Kimmig lässt Don Giovanni häufig sein Aussehen und sein Wesen wechseln, zeigt ihn einmal als abgehalfterten Geschäftsmann, als (neu)reichen Proll, als vergnügungs- und sexsüchtigen Partygott oder als smarten Charmeur. Schrott stellt all diese Männertypen hinreißend überzeugend, jedoch auch mit einer gehörigen Portion Ironie dar. Dass er die Partie aber nicht nur als oberflächliche Show sieht, sondern auch die Vielschichtigkeit der Figur deutlich machen kann, zeigt er unter anderem mit einem innig, zart und aufrichtig gesungenen „Là ci darem la mano“. Auch sonst überzeugt er musikalisch mit seiner samtigen, sehr elegant und nobel geführten Stimme. Die weiteren Solopartien waren ebenfalls hervorragend besetzt. Marina Rebeka begeisterte als Donna Anna mit ihrem frei strömenden, hellen Sopran. Selten hört man diese schwierige Partie so souverän und mit so viel Leichtigkeit vorgetragen. Dmitry Korchak sang den Don Ottavio ebenfalls ohne Mühe mit seinem tragenden, vielleicht eine Spur zu nasal klingenden Tenor. In seinen beiden Arien stellte er nicht so sehr die lyrische, weiche Seite von Don Ottavio in den Vordergrund, sondern sang beide Stücke durchaus kraftvoll und männlich, aber mit wunderschön weiten Bögen und gekonnter Phrasierung. Auch Véronique Gens konnte als innige, sehr eindringliche Donna Elvira voll überzeugen. Ihre Arie „Mi tradí quell’allma ingrata“ war einer der Höhepunkte des Abends. Gar nicht mehr wegzudenken aus der Münchner Don Giovanni Produktion ist Alex Esposito als bissiger, meistens missmutiger Leporello, der hier als kleiner, erfolgloser und deswegen auch neidischer Bruder von Don Giovanni dargestellt ist. Goran Jurić sang den Komtur souverän mit kräftiger, eindrucksvoller Stimme. Dennoch blieb er in seinen Auftritten etwas blass, was aber in erster Linie an der Regie liegt, die seine Figur schon arg stiefmütterlich behandelt hat. Tareq Nazmi als Masetto und die wunderschön und differenziert singende Eri Nakamura als Zerlina komplettierten das hervorragende Sängerensemble.
Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters stand erstmals James Gaffigan. Er dirigierte die Partitur sehr akzentuiert und betonte eher die düster dramatischen Passagen der Musik. Trotzdem kamen auch die zarten, lyrischen Momente gut zur Geltung. Am Ende heftiger, aber leider ziemlich kurzer Applaus für die an diesem Abend wirklich herausragenden Künstler. In dieser Besetzung kann man sich die Produktion durchaus noch öfter ansehen.
Gisela Schmöger