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ZÜRICH / Tonhalle: BEETHOVEN FÜNF UND DREI – Der „Sacre du Printemps“ von 1806!

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Zürich: Beethoven Fünf und Drei – Tonhalle, 26.1.2016 . Der „Sacre du Printemps“ von 1806!  

Sir Roger Norrington, der Altmeister der historischen Aufführungspraxis, hat mit dem Zürcher Kammerorchester (ZKO) am 26.1.2016 in der Tonhalle Zürich ein reines Beethoven-Programm präsentiert. Und wie er es präsentierte! Beim fünften Klavierkonzert sassen die Musiker des ZKO um den offenen Flügel im Halbkreis, der Pianist mit dem Rücken zum Publikum, dem Dirigenten gegenüber, der am spitzen Ende des Flügels wie immer ohne Dirigentenstab die Geschicke des musikalischen Geschehens leitete. Fulminant wurde das das Allegro maestoso des Es-Dur-Themas intoniert: Dirigent und Pianist waren sich eins: kein schweres Pathos, sondern rasende Revolution. Man sah förmlich die vorwärts marschierende Révolution (auf dem berühmte Gemälde von Delacroix), auch wie sie vermutlich ohne Verluste zu scheuen, in den Abgrund läuft. Denn so himmelsstürmend spielte der jungen Schweizer Pianist Oliver Schnyder mit einer beeindruckenden Brillanz und Technik diesen 1. Satz. Umso überraschender lyrisch sich zurücklehnend der 2. Satz, aber nicht zu langsam, immer am Puls des Geschehens. Dann der äusserst originelle Übergang zum 3. Satz, wieder fabelhaft von Schnyder gemeistert. Die Zugabe mit „Elise“ setzte dieser himmelsstürmenden Interpretation ein lyrisches Kontrastück entgegen. Fabelhaft, dieser Oliver Schnyder!

Nach der Pause war dann die Sitzordnung (1. und 2. Geigen je vom Dirigenten seitlich gegenüber) wieder hergestellt. Nun setzte Sir Roger zu einer sich – wie es fast schien – aus dem Augenblick entstehenden Interpretation der „Eroica“ an. Die Tempi waren von Sir Roger den Metronom-Angaben des Meisters möglichst angenähert, also relativ schnell, was aber heutzutage so ungewohnt nicht mehr ist. Was umso mehr faszinierte, war die Lebendigkeit des Musizierens der fabelhaft aufspielenden Musiker des ZKO (Merke: 6 erste Geigen, Respekt!) und die Modernität der einfach hinreissenden Komposition Beethovens. Eine solch genialische Musik kann wohl niemals „abgespielt“ wirken. Immer wieder tun sich neue Einsichten auf, auch wenn man das Werk schon oft gehört hat. Die Dissonanzen müssen schon für damalige Zuhörer schockierend gewesen sein. Dies alles, auch lyrische Aufschwünge im Trauermarsch, gestattete sich Beethoven und mit ihm auch Sir Roger. Ein toller Beethoven-Abend, dank Oliver Schnyder und Sir Roger Norrington mit dem Zürcher Kammerorchester

John H. Mueller

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