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LONDON /Dresden /Ufa-Kristallpalast: Das Royal Opera House im Kino: „La TRAVIATA“

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LONDON/ DRESDEN/ Das Royal Opera House im Kino: „La TRAVIATA“ – 4. 2. 2016 Ufa Kristallpalast Dresden – St. Petersburger Straße


Venera Gimadieva. Copyright: Tristram Kenton für The Guardian

Wie oft man auch Giuseppe Verdis beliebteste und am meisten aufgeführte Oper „La Traviata“ schon gesehen haben mag, berührt sie doch immer wieder, schon allein durch die Musik, aber erst recht mit einer so intensiven Darstellerin wie der wirklich jungen, hübschen Venera Gimadieva, die mit ihrer faszinierenden Stimme und äußerst intensiven Darstellung der Violetta Valéry in der Wiederaufnahme der Inszenierung von Richard Eyre (Leiter der Wiederaufnahme: Daniel Dooner) sehr realistische, liebenswerte Züge verlieh und die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zog. Als eine der führenden Solistinnen des Bolschoi-Theaters Moskau hat sie eine vielversprechende Karriere vor sich. Mit der Rolle der Violetta hatte sie in der Saison 2015/16 ihren ersten sensationellen Auftritt in New York und gab damit auch ihr Debüt am Royal Opera House London.

Sie faszinierte nicht nur mit ihrem lyrischen Koloratursopran, sondern ebenso mit ihrer großen Ausstrahlung, bereits vom ersten Auftreten im Vorspann während der Ouvertüre an. Als liebevoll leidende, berührende und unvergessliche Titelheldin zog sie die Aufmerksamkeit unwillkürlich auf sich und wohl jeden Zuschauer in ihren Bann. Man musste sich immer wieder daran erinnern, dass doch alles nur gespielt war, so intensiv gestaltete sie ihre Rolle, durchlitt und durchlebte sie. Mit ihrer überaus intensiven Mimik und darstellerischen Gestaltung – selbst im Zoom häufiger Nahaufnahmen durch die Bildregie (Matt Woodward) noch echt wirkend – und ihrem makellosen, seelenvollen Gesang, bei dem sie, selbst bei schwierigen Passagen immer noch sehr schön aussah, dominierte sie in ihrer Natürlichkeit unaufdringlich die Szene. Sie spielte nicht nur, sie war die leidende Violetta, die alles ihrer Liebe opfert und stand damit in angenehmer Weise immer im Mittelpunkt.

An ihrer Seite hatte es Saimir Pirgu als Partner nicht gerade leicht. Sein durchaus exakter Gesang wirkte oft zurückhaltender, seine bewusst dramatische Darstellung nicht ganz so seelenvoll und „echt“ wie die seiner Partnerin. Dennoch war er ihr als Alfredo ein guter Partner, der ihre Intentionen auffing und entsprechend mitgestaltete.

Mit profunder Stimme und sehr guter gesanglicher Gestaltung verkörperte Luca Salsi den adelsstolzen Vater Giorgio Germont, äußerlich mit unabdingbarer Präsenz, bestimmend und mit eisernem Willen, der keinen Widerspruch duldet, weniger adelsstolz, eher wie ein selbstbewusster Bürger auftretend, auch weniger alt, als er im Text singt, sondern wie ein Mann in den  besten Jahren, aber unbedingt glaubhaft.

Als sehr gute, typische  und vor allem auch glaubhafte Charakterdarsteller agierten Sarah Pring als besorgte Annina, wie sie mütterlicher und fürsorglicher nicht sein konnte, und James Platt als achtungsvoller, etwas distanzierter und doch wohlwollender Doktor Grenvil in der herkömmlichen realistischen Gestaltungsart – Konservatismus hat eben auch etwas Gutes.

In weiteren Rollen wirkten Jeremy White als Marquis d’Obigny, Yuriy Yurchuk als Baron Douphol, Samual Sakker als Gastone de Letorières und Neil Gillespie als Giuseppe mit und gaben ebenfalls gute, glaubhafte Charakterstudien ab.

Die ein großes Fest gebende Flora stellt man sich allerdings meist etwas anders vor. Andrea Hill sang durchaus gut, wirkte aber etwas zu jung und kaum als die zentrale Gestalt, die einen großen Ball gibt, bei dem Tänzerinnen als Zigeunerinnen und danach Tänzer als Matadoren (Choreografische Leitung: Jane Gibson) zu Verdis zündender Musik tatsächlich auf dem Tisch tanzen, nicht nur die Handlung belebend, sondern den (zur Entstehungszeit der Oper fragwürdigen) Ball zu einem, brisanten Event mit erhöhter Spannung machend, noch unterstrichen durch den „auf Ecke“ gezeigten Ballsaal, der dadurch in seiner leicht verstaubten Atmosphäre in Brauntönen eine für unsere Zeit auffrischende Sicht erhielt.

Die Bühnenbilder von Bob Crowley, deren Aufbau neben den beiden großen Pausen zwischen den Akten auch noch eine kleinere Umbaupause zwischen den beiden Szenen des 2. Aktes erforderten, charakterisierten sehr treffend die entsprechenden Situationen, z. B. wenn im neuen Domizil auf dem Lande, die goldgerahmten Gemälde übereinander an die Wand gelehnt, zum Verkauf bereit stehen, die Einrichtungsgegenstände aus einem Stilmix bestehen, ein  barocker Stuhlsessel neben einem einfachen Schränkchen steht, oder die Blutspuren an Violettas Krankenlager auf Kopfkissen und Anninas Schürze zu sehen sind.

Die Kostüme im Stil der Uraufführungs-Zeit unterstreichen die Handlung sinnfällig und erinnern auch daran, dass die Sängerinnen und Sänger im gleichen, damals modernen „Look“ auftraten, da die Zensur eine Verlagerung der damals „anstößigen“ Handlung ins 17. Jh. verlangte.

Das Orchestra of the Royal Opera House trug unter der Leitung von Yves Abel wesentlich mit zu dieser sehr intensiven, durch die Hauptprotagonistin unter die Haut gehenden, Aufführung bei, ebenso wie der Royal Opera Chorus unter der Leitung von Renato Balsadonna.

Ingrid Gerk

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