Dresden/Frauenkirche: EIN AUSSERGEWÖHNLICHES ORGELKONZERT MIT MATTHIAS EISENBERG – 3.2.2016
Seit der Wiedereinweihung der Dresdner Frauenkirche vor 10 Jahren warteten weit und breit die Freunde der Orgelmusik darauf, dass Matthias Eisenberg, einer der bedeutendsten deutschen Organisten der Gegenwart und Meister der Improvisation, ein „Jahrhundert-Genie“, wie er oft genannt wird, an der großen Orgel der Dresdner Frauenkirche spielen würde. Jetzt war es endlich soweit.
Mit Johann Sebastian Bach, seinem Lieblingskomponisten, „stürzte“ er sich gleich zu Beginn „in die Arbeit“ oder besser „ins Vergnügen“ und eröffnete mit der anspruchsvollen „Großen Fantasie und Fuge in g Moll“ das Orgelkonzert schon fast „historischen“ Charakters. Nach der großartig, gewaltig, aber nicht „dröhnend“, gespielten „Fantasie“, bei der er die Möglichkeiten der Orgel mit dem sicheren Gespür für Bachs Musik „ausschöpfte“, fügte er erst einmal das „Adagio in B“, eine Bearbeitung für Orgel der „Sinfonia“ aus der Bach-Kantate „Ich steh mit einem Fuß im Grabe“ (BWV 1561/1) ein, wahrscheinlich weniger um sich, sondern vor allem dem Publikum eine „Verschnaufpause“ zu gönnen, nach der er wieder frisch und optimistisch zu der großartig gespielten „Fuga“ ansetzte.
Immer mit dem „richtigen“ Gespür für die „richtigen“ Register, selbst beim „Plenum“ der als nicht unproblematisch bekannten neuen Orgel der Frauenkirche von Kern jun. traf er die richtige Wahl, so auch für das „Adagio“, das er wie eine Zwiesprache der Stimmen untereinander gestaltete, ganz im Sinne Bachs, der die polyphonen Linien seiner Musik „wie ein Gespräch unter vernünftigen Leuten“ gestaltet wissen wollte.
Ganz im Gegensatz zu Bachs gewaltiger Orgelmusik versetzte sich Eisenberg bei der viersätzigen „Sonate Nr. 11 in d Moll“ (op. 148) des, in Vaduz geborenen, Wahl-Münchners Josepf Gabriel Rheinberger (1839-1901) mit weicherem Klangbild und doch auch großartigem Spiel ganz in die Welt der Romantik.
Zum Höhepunkt und bekrönenden Abschluss gestaltete sich unter seinen Händen und Füßen Max Regers „Phantasie und Fuge über B-A-C-H“ (op. 46), eine von Eisenbergs „Favorit“-Kompositionen, groß angelegt, große musikalische Bögen spannend und großartig interpretiert, mit sehr feinem Piano und brausendem Forte und stets betonter Melodik.
Eisenberg ist nicht nur ein begnadeter Virtuose, er erfasst jedes Werk, das er spielt auch geistig. Bei ihm ist jedes Stück, das er gerade interpretiert, für ihn das wichtigste. Er vertieft sich nicht nur in Technik und gekonnte Registrierung, sondern auch in Mentalität, „Gedankenwelt“ und Anliegen des jeweiligen Komponisten und hat sehr schnell ein Verhältnis zu jeder Orgel. Er scheint der geborene Organist zu sein, was sich schon in seiner frühesten Jugend zeigte.
Als äußere Erscheinung ein „Mannberg“, wie G. F. Händel seinerzeit von seinen Zeitgenossen genannt wurde, scheint er auch über eine ähnliche Virtuosität und Genialität wie jener zu verfügen (sofern man das aus heutiger Sicht beurteilen kann), was auch in seinen Improvisationen im Stile Händels deutlich zum Ausdruck kommt, von denen hier aber leider keine erklang, sondern passend zu Regers großer „Fantasie und Fuge“ als Zugabe eine seiner freien Improvisationen spätromantischer Art, begonnen im Stil einer individuellen „Max-Reger-Nachfolge“, passend zur Klanglichkeit der Orgel, bei der er die Register mit allen Feinheiten und bis zum kraftvollen „Brausen“ “auskostete“. Mit seinem Orgelspiel erfüllte er, nicht nur akustisch den Raum, sondern auch geistig die zahlreich erschienenen und aufmerksam lauschenden Besucher des Konzertes.
Ingrid Gerk