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WIEN/ Theater an der Wien: LAZARUS von Franz Schubert – Oratorien-Fragment

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Oratorium-Fragment im Theater an der Wien: „Lazarus“ von Franz Schubert (Vorstellung: 20. 12. 2013)

Lazarus Szene~1
Foto: Theater an der Wien

 Mit einer szenischen Produktion des Oratorium-Fragments „Lazarus“ von Franz Schubert wartete das Theater an der Wien auf. Ein Experiment, das erstaunlicherweise recht gut gelang. Das 1820 von Schubert vertonte Oratorien-Libretto von August Hermann Niemeyer aus dem Jahr 1778 wurde erst 1863, also 35 Jahre nach dem Tod des Komponisten, als Fragment in Wien uraufgeführt und nimmt in Schuberts Œuvre eine besondere Stellung ein.

 Die Auferstehung von Lazarus ist im Johannes-Evangelium überliefert, wo sie der Passionsgeschichte Christi vorausgeht. Zusammen mit seinen Schwestern Maria und Martha ist Lazarus ein glühender Anhänger des Messias. Er stirbt im festen Glauben an die Auferstehung am Jüngsten Tag. Jesus setzt jedoch ein Zeichen, indem er den bereits mehrere Tage Begrabenen ins Leben zurückholt. Im Libretto von Niemeyer wird dieses Ereignis zum Wendepunkt im Leben von Simon, der durch Schicksalsschläge seinen Glauben verloren hat.

 Da für den dritten Teil des Librettos, in dem Simon durch die Begegnung mit dem wiederauferstandenen Lazarus bekehrt wird, keine Musik von Schubert vorhanden ist, wurde die Aufführung mit Musik des amerikanischen Komponisten Charles Ives (1874 – 1954), aber auch mit Noten aus anderen Schubert-Werken ergänzt. Dazu ein Zitat des Dramaturgen Konrad Kuhn aus seinem Beitrag im informativ gestalteten Programmheft: „Der Komponist erzählt hörbar von seinen eigenen Erschütterungen und Sehnsüchten. Auf den Flügeln dieser Musik kann man vielleicht extremen menschlichen Zuständen im Angesicht des Todes nachspüren, immer an der Grenze zum Unsagbaren. Die vertonten Texte gewinnen durch die radikale Subjektivität Schuberts zwingende Dringlichkeit und laden uns dazu ein, uns mit unseren eigenen Gefühlen und Gedanken zum Thema zu konfrontieren.“

 Zu den Themen Tod und Erlösung schuf Claus Guth eine Inszenierung, die schon allein durch die Bühnengestaltung, die eine Abflughalle eines Flughafens darstellt, zwischen Erde und Himmel zu pendeln scheint. Die große Treppe im Zentrum der Bühne (Ausstattung: Christian Schmidt) wirkte wie Stufen in den Himmel –  vom Diesseits ins Jenseits. Dem Regisseur gelangen dabei eindrucksvolle Bilder, obwohl er, vor allem im zweiten Teil, in einigen Szenen mit kaum nachvollziehbaren Gags aufwartete und auch die Statisten zu hektisch auftreten ließ, wodurch der Gegensatz zum Tod zu aufgesetzt wirkte.

 Der auch in Wien aus vielen Rollen bekannte amerikanische Tenor Kurt Streit überzeugte als Lazarus sowohl stimmlich mit ausdruckstarker Interpretation wie auch in der Darstellung des Sterbenden. Der Titelfigur stellte der Regisseur einen Tänzer (Paul Lorengar) quasi als Alter ego, als sein „anderes Ich“, zur Seite. Eine kluge Idee, die dennoch nicht immer zwingend schien.  Hervorragend in jeder Beziehung die Sopranistin Annette Dasch als Maria, deren klar tönende Stimme von den Damen am eindrucksvollsten zur Wirkung kam. Etwas blasser blieb die amerikanische Mezzosopranistin Stephanie Houtzeel als Martha, während die türkische Sopranistin Çiğdem Soyarslan in der Uniform einer Stewardess die Rolle der Jemina mit jubelnden Spitzentönen ausfüllte.  

 Im Priestergewand und mit lyrischer Stimme sang der tschechische Tenor Ladislav Elgr die Rolle des Nathaniel, als Simon übertrieb der österreichische Bariton Florian Boesch die Dramatik ein wenig, während der polnische Tenor Jan Petryka mit seinem Solo „Nachthelle“ zu begeistern wusste. Hervorragend wie immer der Arnold Schoenberg-Chor (Leitung: Erwin Ortner), der nicht nur stimmkräftig auftrat, sondern auch darstellerisch einiges zu bieten hatte. Die Wiener Symphoniker brachten die Schubert-Melodien unter der umsichtigen Leitung von Michael Boder vor allem im ersten Teil mit herrlichem Klang zur Geltung, der zweite Teil hingegen wirkte musikalisch zerrissen, was aber wohl auch an der Pasticcio-Form nach der Pause lag.

 Das Publikum spendete am Schluss lang anhaltenden Beifall, wobei die Phonstärke bei Kurt Streit, Annette Dasch, Çiğdem Soyarslan und Florian Boesch merklich anschwoll.

 Udo Pacolt

 

 

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