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BERLIN/ Deutsche Oper: DIE SACHE MAKROPULOS von Janacek mit der großartigen Evelyn Herlitzius

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Berlin/ Deutsche Oper: „DIE SACHE MAKROPULOS“ von Leos Janácek mit der großartigen Evelyn Herlitzius, Premiere, 19.02.16

Makropulos, Evelyn Herlitzius als Emila Marty, Foto Bernd Uhlig
Evelyn Herlitzius als Emilia Marty. Copyright: Bernd Uhlig

E. M. = me ist gleich anfangs etwas verschwommen auf einem Video zu lesen. Es ist das Motto dieser Frau, deren Dasein einst durch einen Zaubertrank ihres Vaters um 300 Jahre verlängert wurde. Als umschwärmte, dauerhaft Schöne hat sie ihr Leben unter diversen Namen genossen, alle mit den Initialen E.M. Unzählige Männer sind dieser eiskalten femme fatale verfallen und wurden ihr Opfer. Doch sie ist sich immer gleich geblieben.

Evelyn Herlitzius
debütiert hier in tschechischer Sprache als Emilia Marty und macht das sensationell. Ihr dramatischer Sopran passt so perfekt in diese Partie, als hätte ihr Leos Janácek in seiner vorletzten Oper diese Rolle auf den schlanken Leib komponiert. Sie singt und gestaltet alles – wie im Morgenpost-Interview zu lesen – ganz nach eigenem Empfinden, hat sich absichtlich keine Interpretationen ihrer Vorgängerinnen angehört.
Das „me“ steht also auch für die Herlitzius. Sie überzeugt als immer noch Lebensgierige ebenso wie als eine, die für alle Empfindungen zu alt geworden ist und schließlich auf die nochmalige Daseinsverlängerung verzichtet. Auch persönlich sähe sie darin keinen Sinn, betont sie. Der Traum ewiger Jugend und Schönheit – ein Albtraum.
Schon beim (musikalischen) Vorspiel bewegt sie sich als Emilia Marty stumm auf der Bühne. Während Donald Runnicles dem Orchester der Deutschen Oper Berlin mit Verve den Janácek-Sound mit seinen vielen melodischen Varianten entlockt, krabbelt links ein krankhaft zuckender kleiner Junge Schutz suchend unter einen Tisch.
Eine Frau in großer Robe beugt sich herab, streichelt ihn, zieht ihn unter dem Tisch hervor. Das Kind klammert sich an sie. Es ist der Sohn der einst berühmten E.M.-Operndiva und Josef Ferdinand Prus, genannt Pepi, ihrer einzigen großen Liebe.
Als zärtlicher Landjunker erscheint er ebenfalls links im Video (von Martin Eidenberger). Auf diese Weise gibt Regisseur David Hermann dem Publikum einen Einblick in die früheren Lebensphasen dieser Emilia Marty, was allerdings, besonders bei solchen Bildern, an Kitsch grenzt.

Ähnliches setzt sich im Verlauf der Handlung fort, treten doch fünf stumme Frauen in Erscheinung, die Doubles der jetzigen Marty durch die Jahrhunderte. Alle wie sie mit roten Haaren und in rötlichem Outfit (Bühne, Kostüme: Christof Hetzer).
Diese Einheitsbühne dient als Kanzlei, wo der hundertjährige Erbschaftsstreit Gregor gegen Prus verhandelt wird. Hier prallen der smarte Rechtsanwalt Dr. Kolenatý (Seth Carico) und die Marty aufeinander. Carico mit seinem kräftigen Bassbariton, der immer mehr an Farbe gewinnt, kann sich gegen Evelyn Herlitzius durchaus behaupten und macht auch sonst eine gute Figur. (Schon vor Jahren hat er sich energisch viele Kilos abgefastet!).

Bekanntlich kann die nun 337 Jahre alte Marty Licht in die dunkle Vergangenheit bringen. Einmal zu Gunsten ihres Nach-, Nach-, Nachfahren…. Albert Gregor. Den singt mit Impetus Ladislav Elgr und macht mit ausdrucksstarkem Tenor und beeindruckendem Spiel deutlich, wie ein Mann dieser Frau verfällt, obwohl es ihm gleichzeitig vor ihr graust. Ihre immer wieder betonte Schönheit nimmt ihm fast den Verstand.
Ebenso ergeht es dem jungen, unbedarften Janek Prus (Gideon Poppe), der eigentlich seine Krista liebt und sie mit lyrischem Tenor umschmeichelt. Die jedoch – die spritzige Jana Kurucová mit einem ebenso spritzigen Mezzo – will, ebenfalls behext von der Ex-Marty, lieber Sängerin werden.

Makropulos, Evelyn Herlitzius (Emilia Marty), Robert Gambill (Hauk-Sendorf), Foto Bernd Uhlig
Evelyn Herlitzius (Emilia Marty) und Robert Gambill (Hauk-Sendorf). Copyright: Bernd Uhlig

Eugenia Montez war die Marty vor 50 Jahren auch mal und die Geliebte des skurrilen Hauk-Sendorf (Robert Gambill im Narrenkostüm), der plötzlich auftritt. Die Situation kippt. Beim anschließenden Verhör durch Baron Jaroslav Prus (Derek Welton) erleidet die Marty einen Schwächeanfall. Aber nicht nur sie, auch ihre 5 Doubles werden auf Liegen gebettet und von den ratlosen Herren umsorgt, unter ihnen der Kanzleivorsteher Vitek (Paul Kaufmann). Ein recht witziger Regieeinfall.
Als Gegengabe für eine angedeutete Liebesnacht übergibt ihr Jaroslav Prus den von ihr heiß begehrten versiegelten Brief, der eigentliche Anlass ihres Kommens. Mit hasserfülltem Bariton singt ihr Welton nun seinen Abscheu entgegen, möchte sich selbst ins Gesicht spucken und erfährt erschrocken vom Selbstmord seines Sohnes Janek, der sich aus Liebe zur Marty das Leben nahm. Ihr letztes Opfer.

Doch die schöne Uralte lässt das völlig kalt. Sie kann nichts mehr empfinden, und die Herlitzius macht das deutlich. Gierig greift sie stattdessen nach dem Brief, enthält der doch das Geheimrezept ihres Vaters Hieronymos Makropulos, der mit dieser Mischung einst Kaiser Rudolf II das Leben um 300 Jahre verlängern sollte. Jetzt soll ihr diese Mixtur weitere Jahre ermöglichen.

Im dritten Akt geschieht das Unerwartete: Emilia Marty schildert freimütig ihr Leben, hat plötzlich gar keine Lust mehr, es zu verlängern. Weich wird nun Herlitzius’ Stimme. Denn Leos Janácek hat im Laufe des Komponierens Mitgefühl für diese Langlebige entwickelt und seinen musikalischen Tonfall entsprechend geändert. „Ich mache sie wärmer, damit die Leute mit ihr Mitleid haben. Ich werde mich noch in sie verlieben.“ schrieb der Komponist über seine Hauptfigur und distanzierte sich damit von der literarische Vorlage Karel Capeks.

Emilia Marty bietet jetzt das Rezept feil, doch Krista will es nicht haben. Schließlich halten es alle 5 Doubles als Kopie in den Händen, stopfen es sich in den Mund, verschlucken und beseitigen es auf diese Weise. Weg mit dem Jugendwahn und dem Endlos-Leben. Laut Janácek hat Emilia Marty trotz ihres Lebenswandels Verständnis und Liebe verdient.

Makropulos, Evelyn Herlitzius und ihre 5 Doubles, Foto Bernd Uhlig
Evelyn Herlitzius (Emilia Marty) und ihre 5 Doubles. Copyright: Bernd Uhlig

Liebe und Anerkennung, Beifall und Bravos gelten schließlich der großartigen, glücklich strahlenden Evelyn Herlitzius, die diese anspruchsvolle Rolle bis zuletzt mit jeder Faser erfüllt. Vehementen Applaus erhalten auch Donald Runnicles, Seth Carico und Jana Kurucová. Ladislav Elgr hätte eigentlich mehr an Belohnung verdient, doch insgesamt geht niemand leer aus, auch nicht Andrew Harris als Theatermechanist, Rebecca Raffell als Aufräumfrau und Adriana Ferfezka als Kammerzofe.

Das Regieteam, das bei der ersten Verbeugung noch einige Buhs einstecken muss, wird danach in den Beifall eingeschlossen. Insgesamt eine äußerst gelungene Fortsetzung der Janácek-Opern an diesem Haus.      

Ursula Wiegand
Weitere Termine: 25. und 28. Febr., 27. und 30. April.

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