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STUTTGART/ Oper: 3. LIEDKONZERT MIT OTTO KATZAMEIER ALS HOMMAGE AN GYÖRGYI KURTAG ZUM 90er

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DYNAMISCHE KONTRASTE MIT POLIZEI-PFEIFE 3. Liedkonzert mit Otto Katzameier als Hommage an Kurtag in der Musikhochschule am 19. Februar 2016/STUTTGART

Otto Katzameier_(c)_Oper Stuttgart
Otto Katzameier. Copyright.: Oper Stuttgart

Die Oper Stuttgart, die Internationale Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart und die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart ehrten den großen ungarischen Komponisten György Kurtag zu seinem 90. Geburtstag. Otto Katzameier (Bassbariton), Luminitza Petre (Violine), Thomas Gering (Viola), Vache Bagratuni (Violoncello) und Emil Kuyumcuyan (Schlagzeug) unter der fulminanten musikalischen Leitung von Stefan Schreiber interpretierten feinnervig Kurtags Stück „pas a pas – nulle part…“ (poemes de Samuel Beckett et maximes de Sebastien Chamfort) für Bariton solo, Schlagwerk und Streichtrio op. 36. Viele Glissando- und Tremolo-Effekte sind bei diesen miniaturhaften musikalischen Aphorismen auffallend. Der gewaltige Schlagzeug-Apparat ist sogar mit einer Polizei-Pfeife ausgestattet. Jeder Ton hat hier eine besondere Bedeutung, prägt sich dem Zuhörer tief ein.

Kurtag und Beckett sind sich durchaus verwandt. Für „Berceuse“ benutzt der Komponist für die tote schaukelnde Spinne einen Gong. Escamillos Stierkämpfer-Marsch ist vernehmbar, auch das „Todesmotiv“ aus Bizets „Carmen“ wird in „Meditation“ angedeutet. Melodische Abstürze über Skalen hinweg begegnen dem Zuhörer bei diesem Werk häufig – und Otto Katzameier agierte mit seinem sonoren, immer wandlungsfähigen Bassbariton ausgesprochen souverän. Ein sterbender Zwerg ist geheimnisvoll in „Le nain“ mit Cello und Großer Trommel zu vernehmen. Große Intervallsprünge verdeutlichen den intensiven Wunsch nach einem Sarg. Der eigenartige Zyklus wird dann von einem Epilog abgeschlossen. Ruhige Melismen verlängern bei Sebastien Chamforts „Asking for salve and solace“ die Vokale. Becketts zuweilen geradezu diabolische Ironie findet in dieser facettenreichen Musik ihre Entsprechung. Die menschliche Existenz wird hier als Absurdität dargestellt. Dies zeigt sich ebenso bei den grotesken Rhythmen von „octave“ als Hommage an Pierre Boulez oder „Valse“ als Hommage an Helmut Lachenmann.

Dieser Komposition folgt ein Valse-pizzicato voller Raffinesse. Otto Katzameier gelang es hier, direkt mit dem Publikum in klangfarbenreichen Passagen zu kommunizieren. Ebenso thematisiert werden dabei Persönlichkeitsspaltung und Doppelgängertum. Ein Leitmotiv bei diesem Werk ist das Thema des Gehens („De pied ferme“), das Kurtag immer wieder herausstellt. Eduard Sonderegger (Violine), Nicole Greentree (Viola) und Hugo Rannou (Violoncello) interpretierten als Studierende der Musikhochschule anschließend das Divertimento Es-Dur KV 563 von Wolfgang Amadeus Mozart. Klug ausbalancierte Dreistimmigkeit fiel bei dieser Wiedergabe besonders positiv auf. Der viersätzige Wiener Typus blitzte hervor. Polyphone motivisch-thematische Verdichtungen setzten sich energisch durch. Ein absteigender Unisono-Dreiklang prägte sich den Zuhörern tief ein. Und die verkleinert aufsteigende Gegenbewegung hielt den Satz in Schwung. Dichte Klangflächen und Ausdruckstiefe kennzeichneten die subtile Wiedergabe des zweiten Adagio-Satzes. Ein serenadenhafter Charakter prägte das wiegende Schluss-Rondo, das durchsichtig und fein strukturiert gespielt wurde. Die Klangebenen befanden sich plötzlich auf einer höheren Sphäre. Obwohl dieses 3. Liedkonzert „Flötentöne“ hieß, waren Flöten nicht zu hören. Aber man hörte sie dank intensiver melodischer Linienführung auf andere Weise heraus.   

Alexander Walther

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