Vorweihnachtliche Erfurter Weinverkostung a la Rossini. Premiere „La Cenerentola“ im Theater Erfurt 21.12. 2013
Foto: Theater Erfurt
So viel heiterer, vergnüglicher, von libellenhafter Zart- und Leichtigkeit getragener Zauber, der sich wie goldener Feenstaub über das Publikum breitete, das hatten die Erfurter schon lange nicht erlebt. Wer war diese Magierin, die uns zum Träumen und Schmunzeln einlud? Lynne Hockney heißt die Regisseurin, die mit tanzgeschultem Händchen eine Regie-Choreographie entfaltete, mit der sie Spannung und viele niedliche Späße verband. Sie lud zur Weinprobe zwischen Don Magnificos Weinkeller und einem opulenten Festschmaus im Schloss ein. Ein gesanglich und schauspielerisch exzellentes Menü richtete diese magische Regie-Köchin an und lud zum vorweihnachtlichen Probieren ein.
Die Handlung spielt in der Entstehungszeit der Oper, also ca. 1817, das Bühnenbild wiederum verbindet Shakespeare-Innenhof mit barocker Zentralperspektive und den augenzwinkernd dick aufgetragenen Scherzen der Opera buffa. Da erscheint der falsche Prinz, ein wenig prunkend und angeberisch, die Arme jovial ausbreitend und sogleich entrollen hinter ihm zwei Lakaien a la Mode Barock ein Schlösschen-Gemälde, vor dem er sich pfauenhaft räkelt. Das Kuriose liegt im Detail: immer trippelt er asynchron und löst damit Heiterkeitsausbrüche beim Publikum aus. Auch die dramatische Suche nach seiner Angebeteten unternimmt der richtige Prinz im Ballon im Design der Montgolfière-Brüder. Wind und Donner werden vor den Augen des Publikums mit Donnerblech und altertümlicher Windmaschine zelebriert. Das ist die Handschrift Lynne Hockneys. Benoît Dugardyn entwarf dazu das Bühnenbild und Giovanna Fiorentini die Kostüme. Und diese superbe Symbiose löste bei den Schaufreudigen wahrhafte Begeisterungsstürme aus.
Immer bewegen sich die Figuren und agieren dynamisch, bis sie an den entscheidenden Stellen, der Opera buffa getreu, an die Rampe treten und in herrlichsten gedrechselten Portamenti, die sie durch ihre Koloraturen und Fiorituren virtuos ausschmücken, die Hörer zugleich faszinieren, aber auch die Wahrheit aussprechen.
Rossinis Opernlibretto besitzt viele virtuose Schnellsprechstellen, die wirklich nur Italienisch funktionieren und Uwe Stickert meistert diese Stellen brillant und das hohe C seiner Partien trifft er auch spielerisch. Als Don Ramiro besticht er durch Präzision und Humor. Ein süffiger prickelnder Champagner, handgerüttelt und sorgsam serviert.
Dandini köstlich gesungen und gespielt von Florian Götz, gern vertritt er seinen Prinzen in dessen Amt und er weiß es lukullisch umzusetzen. Der Verführung gehen die beiden heiratstollen Schwestern Tisbe und Clorinda voll auf den leckeren Leim. Die beiden Schwestern wollen ins gemachte Nest und dort wartet mit Florian Götz als Dandini ein gewitzter Prosecco.
Foto: Theater Erfurt
Angelina, la Cenerentola, verkörpert durch Tamara Gura, die erst zur Generalprobe einstieg, weil Mireille Lebel sich verletzte. Tamara Gura betörte nicht nur mit den hohen, sondern vor allem mit den tiefen und samtweichen Tönen ihres glockenklaren Mezzosoprans. Dabei fließt ihre Stimme mühelos und mit viel Volumen. So eine Stimme ist wie ein Edel-Wein, den man öfter trinken möchte.
Don Magnifico, dargestellt von Gregor Loebel, war von glucksendem Humor, selbstironisch, spritzig und mit saftigem Bass. Ein Lebemann alter Schule, der seinen Portwein zu genießen versteht und das Zukunftswohl seiner Töchter immer im Blick hat. In dieser Rolle ist er für das Erfurter Theater ein echter Gewinn.
Tisbe, Katja Bildt und Clorinda, Julia Neumann sind Don Magnificos Töchter. Katja Bildt als Tisbe, Mezzosopran und Julia Neumann als Clorinda, Sopran schildern die Töchter mit unterschiedlichen Charakteren, dabei zeigen sie sich schauspielerisch in der Präsentation weiblicher Untugenden mit viel Geschick. Sie sind intrigant und neidisch, ein bisschen gehässig und konkurrieren jeweils einzeln um die Gunst des falschen Prinzen. Ein Theaterblut, wie Rossini, hätte an diesen würzigen Roséweinen seine wahre Freude gehabt.
Vazgen Ghazaryan als Alidoro, verkörpert den Hauslehrer und verkleideten Bettler, der die richtige Frau für seinen Prinzen sucht. Dabei präsentiert er spielerisch einen erfahrenen Pädagogen und einen weltgewandten schlitzohrigen Adjutanten seines Chefs. Wird Vazgen Ghazaryan sonst als dämonischer „Bösewicht“ eingesetzt, so konnte er diesmal mit seinem imposanten Bass im heiteren Fach glänzen. Dieser gereifte Bass schmeckte nach einem armenischen Brandy allerfeinster Sorte.
Foto: Theater Erfurt
Samuel Bächli dirigierte den musikalischen Rahmen mit dem festen Plan, dass es leicht schmecken möge. So richtig italienisch, mit vielen würzigen Noten und niemals schwer im Magen liegend. Dabei hatte er sich intensiv mit der Partitur Rossinis beschäftigt, denn wenig soll so widergegeben werden, wie es da steht. Amateurköche würden an so einer Rezeptur scheitern. Vielleicht käme ein dicker Kloss heraus. Samuel Bächli erweist sich als ein Meister-Arrangeur. Er versteht es Rossinis gewollte südliche Leichtigkeit feingewebt und mit lauschigem Fluidum aus dem Orchestergraben fließen zu lassen. Wie in einem musikalischen Schlaraffenland ergießen sich die herrlichen Noten wie ein köstlicher Strom auf die Hörer. Von der Ouvertüre bis zu den Schlussarien schmeckte Samuel Bächli seine Interpretation feinsorglich ab. Der Orchesterklang wirkte mit den Sängern so harmonisch, dass man nicht aufhören wollte zuzuhören. Samuel Bächli beweist mit seinem Dirigat, dass er auch als Meister des heiteren Spiels ein glückliches Händchen hat. Er gibt dem italienischen Menü Schweizer Torrone und sein Cuvée hinzu und macht den Erfurter Premierenabend zu einem funkelnden adventlichen Glücksmoment.
Der lange Applaus beweist den Riesenspaß.
Auch die weiteren Aufführungen sind sehenswert, dann in der Besetzung mit Mireille Lebel als Angelina.
So, 29.12.2013 l Sa, 04.01. l Mi, 08.01. l So, 12.01. l Sa, 25.01. l So, 02.02. l Fr, 07.02.2014
Thomas Janda