Zwei Operneinakter-Raritäten in Dessau: „Der Diktator“ von Ernst Krenek und
„Der Zar lässt sich photographieren“ von Kurt Weill (Premiere: 28. 2. 2016)
Das 24. Kurt Weill-Fest in Dessau, das vom 26. 2. bis 13. 3. 2016 stattfindet und unter dem Motto „Krenek, Weill & die Moderne“ läuft, brachte unter anderem die beiden Opern-Einakter „Der Diktator“ von Ernst Krenek und „Der Zar lässt sich photographieren“ von Kurt Weill, die beide im Jahr 1928 uraufgeführt wurden, am 28. Februar 2016 im Anhaltischen Theater zur Aufführung. Die vielen Gemeinsamkeiten der Komponisten, die beide im Jahr 1900 geboren wurden, versucht ein Symposium unter dem Titel Zeitgenossenschaft am 3. und 4. März in Dessau zu erarbeiten. Am 4. 3. werden Marco Hoffmann und Reinke Schwinning von der Universität Siegen über die beiden Einakter unter dem Titel Weisen von Liebe und Tod diskutieren.
Im Festspiel-Magazin ist auch ein Grußwort des niederösterreichischen Landeshauptmanns Dr. Erwin Pröll abgedruckt. Daraus ein Zitat: „Da trifft es sich sehr gut, dass sich heuer, im Jahr des 25. Todestages von Ernst Krenek, die Kurt-Weill-Gesellschaft und das Ernst Krenek-Institut zusammengetan haben, um mit dem diesjährigen Kurt Weill-Fest in Dessau diese beiden musikalischen Weltbürger zu feiern und sich mit dem Werk dieser Künstlerpersönlichkeiten ausführlich zu beschäftigen.“
„Der Diktator“: Maria, die Frau des erblindeten Offiziers (Iordanka Derilova), schickt sich an, den Diktator (Ulf Paulsen) in seinem Urlaubsort in der Schweiz zu erschießen (Foto: Claudia Heysel)
Interessant auch, dass die beiden erfolgreichsten Opern der beiden Komponisten knapp hintereinander uraufgeführt wurden: Johnny spielt auf von Krenek im Jahr 1927 und Die Dreigroschenoper von Kurt Weill 1928. Diese beiden Opern waren die meistgespielten Musiktheaterwerke der Zwischenkriegszeit. Tragisch noch die Parallele, dass nach der Machtergreifung der Nazis ihre Werke in Deutschland und Österreich verboten wurden und beide nach New York fliehen mussten, wo sie einander besuchten, wie Tagebucheintragungen belegen.
Der Diktator wurde gemeinsam mit seinen beiden anderen Einaktern Das geheime Königreich und Schwergewicht oder Die Ehre der Nation im Jahr 1928 in Wiesbaden uraufgeführt. Die Handlung des Werks, das oberhalb von Montreux am Genfer See spielt und dessen Libretto der Komponist selbst verfasste, in Kurzfassung: Maria verwandelt sich von der potentiellen Tyrannenmörderin in eine willfährige Geliebte des Diktators. Sie hatte ihn aufgesucht, um an ihm Rache für ihren im Krieg erblindeten Ehemann zu nehmen, liegt aber bald in seinen Armen. Als Charlotte, seine von ihm seit langem gedemütigte Frau, die zu Boden gefallenen Pistole aufnimmt und Maria, die vom Diktator als Schutzschild missbraucht wird, erschießt, verwandelt sich der Diktator binnen Sekunden in einen kühl kalkulierenden Herrscher und seine despotische Handlungsweise bricht wie eine Fassade zusammen.
In der Titelrolle des Diktators, der in der Schweiz seinen Urlaub verbringt, bestach der Bariton Ulf Paulsen durch seine starke Bühnenpräsenz und seine kräftige Stimme, wenngleich er zu Beginn den charismatischen Machtmenschen zu komödienhaft spielte. Charlotte, seine von ihm oft gedemütigte Frau, wurde von der Sopranistin Stefanie Kunschke recht glaubhaft dargestellt. Die bulgarische Sopranistin Iordanka Derilova überzeugte stimmlich wie schauspielerisch in der Rolle der Maria. Sie spielte ihre Verwandlung von der potentiellen Tyrannenmörderin zur Geliebten des Diktators beeindruckend. Gut auch der Tenor Albrecht Kludszuweit als erblindeter Offizier.
„Der Zar lässt sich photographieren“: Szenenbild: Der Zar (Ulf Paulsen) im Flirt auf der Couch mit der falschen Angèle (Iordanka Derilova), die ein Attentat auf ihn plant (Foto: Claudia Heysel)
Nach der Pause kam Kurt Weills Opera buffa Der Zar lässt sich photographieren in gleicher Bühnenausstattung wie Kreneks tragische Oper Der Diktator zur Aufführung (Gestaltung der Bühne von Nicole Bergmann, Entwürfe der Kostüme von Jessica Rohm, die beide zum Erfolg dieser Produktion wesentlich beitrugen).
Die Handlung der Opera buffa von Kurt Weill, deren Libretto Georg Kaiser verfasste und die in Leipzig uraufgeführt wurde: Sie spielt in Paris im Atelier der Fotografin Angèle, bei der das Hofmarschallamt den baldigen Besuch des Zaren anmeldet. Während der Vorbereitungen trifft eine Gruppe von Verschwörern ein, die den Zaren ermorden wollen. Die Angestellten des Ateliers werden weggesperrt und im Fotoapparat eine Pistole installiert. Als der Zar mit seinem Begleiter erscheint, beginnt er mit der falschen Angèle zu flirten. Sie schafft es nicht, ihren Auftrag auszuführen, da der Zar ständig die Position wechselt. Außerdem wünscht er plötzlich, selbst die Fotografin abzubilden. Es geht hin und her – bis die Nachricht kommt, dass die Anschlagspläne entdeckt worden seien und jeden Moment die Polizei auftauchen könne. Als die falsche Angèle eine Grammofonplatte mit einem Tango auflegt, glaubt sich der Zar am Ziel seiner Wünsche. Doch von ihm unbemerkt, tritt die gescheiterte Attentäterin mit ihren Kumpanen den Rückzug an. Die echte Angèle erscheint wieder, löst ziellos den Schuss aus und schickt sich an, den völlig überraschten Zaren nun tatsächlich zu fotografieren.
Auch in dieser Opera buffa spielt der Bariton Ulf Paulsen die Titelrolle eindrucksvoll. Seine hohe Statur und sein schauspielerisches Können prädestinieren ihn auch für die Rolle des Zaren. Und als „Opfer seiner erotischen Begierden“ konnte neuerlich die polnische Sopranistin Iordanka Derilova stimmlich wie schauspielerisch als falsche Angèle brillieren. Ihre Begleiter wurden vom Tenor Alexander Nikolić und der Sopranistin Kristina Baran gegeben, den Anführer spielte Albrecht Kludzuweit. Den Begleiter des Zaren gab der Bass André Eckert.
Das Personal des Fotoateliers wurden von der Sopranistin Stefanie Kunschke als Angèle, vom Tenorbuffo David Ameln als Gehilfe und von der Mezzosopranistin Anne Weinkauf als Boy gespielt, die beiden Kriminalbeamten von Stephan Seefeld und Tizian Steffen. Als Chor, der vor allem den Satz Der Zar lässt sich photographieren in zahlreichen Wiederholungen zu singen hatte, war der Herrenchor des Anhaltischen Theaters Dessau im Einsatz.
Ein Detail am Rande: Im Uraufführungsjahr 1928 lehnten die sowjetischen Kulturbehörden eine Aufführung der Oper Der Zar lässt sich photographieren in Moskau ab!
Die Anhaltische Philharmonie Dessau brachte unter der Leitung von Daniel Carlberg die Partituren der beiden Komponisten Krenek und Weill in allen Nuancen zum Klingen. Bei Krenek, dessen Musik auf dem Boden der Tonalität steht und viele lyrische Passagen aufweist, genauso wie bei Weill, dessen Musik andere Klangfarben hat und beim Tango Angèle auch Jazzklänge mitschwingen.
Das Premierenpublikum war begeistert und applaudierte allen Mitwirkenden sowie dem Regieteam minutenlang, wobei auch viele Bravorufe zu hören waren.
Udo Pacolt