VERDI’S „AIDA“ ZWISCHEN KLANGPRACHT UND LIEBESTOD-LYRIK(11.3.2016)
Ekaterina Gubanova (Amneris). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Es gibt sie also doch noch – Sängerinnen und Sänger, die den Triumph-Akt in ein Fest der „Klangpracht“ verwandeln und in den lyrischen Passagen nach der Pause über jene Lyrik verfügen, die den Liebestod Aida‘s zu einer Vision des Paradieses hochstilisiert.
Voraussetzung war eine Dirigentin, die viel zu selten an der Staatsoper auftritt, obwohl hier ihre internationale Karriere begann – die Australierin Simon Young. Sie wurde mit besonderer Herzlichkeit vom Wiener Publikum begrüßt, hielt mit Chor und Orchester der Wiener Staatsoper ideal die Balance zwischen Verdi‘s „Opulenz“ und dem „Seelendrama“ und half den Sängern geschickt über die vielen Klippen der Partitur.
Von den Sängern ist an erster Stelle der Interpret des Radames zu nennen: Fabio Sartori – geb. in Treviso – sang einst in Wien Rodolfo und den Carlo in Linda di Chamounix. Nun ist er zu Trovatore und Aida gewechselt. Und hat sich prächtig weiterentwickelt. Er verfügt über eine dunkle, kräftige Mittellage sowie eine strahlende Forte-Höhe, kommt aber mit den Piano-Anforderungen im Nil-Duett ebenso souverän zu Rande wie mit dem als unsingbar geltenden Finale. Großartig die Celeste Aida und die Schwert-Weihe (mit dem wunderbaren Jongmin Park als Ramphis), hinreißend die Triumph-Szene, der Nilakt und die Szene mit Amneris. Aber die Palme des Abends gebührt ihm, dem heldischen Radames, für die Lyrismen im Finale. Das erinnerte an den Premieren-Rollenvorgänger Luciano Pavarotti (dem er leider auch optisch sehr ähnelt).
Nicht ganz so ideal die beiden rivalisierenden Damen: die Ukrainerin Liudmyla Monastyrska in der Titelpartie und die Russin Ekaterina Gubanova als Amneris. Die Sopranistin, die von der Abigaile bis zur Tosca das ganze italienische Zwischenfach interpretiert, verblüfft durch die Dynamik ihres Singens. Die Forte-Höhen vor der Pause sind fulminant, ihr Piano-C in der Nilarie ist beeindruckend, das Finale pefekt. Leider hält die Mittellage nicht ganz mit: wenn sie vom Mezza-Voce ins Forte wechselt, kommt es zu einem zu starken Vibrato. Dagegen sollte sie „arbeiten“ oder auf Rollen wie Abigaile oder Odabella in Attila verzichten. Mittellagen-Probleme hat die Königstochter dieser Aida-Vorstellung hingegen keine. Ekaterina Gubanova bietet das schönste Timbre, spielt großartig, nur ist sowohl die Tiefe etwas unterentwickelt und die Spitzentöne in ihrer großen Szene im 3.Akt erweisen die Material-Grenzen. Wirklich schwach war hingegen der viel zu lyrische Amonasro des Italieners Simone Piazzolas. Er mag als Marcello richtig besetzt sein aber nicht in dieser Verdi-Produktion, die an Zeiten erinnerte als ein Dimiter Usunov den Radames sang. Schwach auch der König – Il Hong, besser der Bote-Carlos Osuna, ordentlich die Priesterin Caroline Wenborne. Makellos – wie schon erwähnt :der Ramphis des Koreaners Jongmin Park. Ein echter „schwarzer Bass“, eine Stimme wie „Öl“, ein musikalisch-stimmiger Vortrag – hier wächst ein Supertalent heran.
Die historisierende Inszenierung, die auch schon 32 Jahre alt ist, wurde seither übrigens zum 111 Mal gespielt, stammt von Nicolas Joel (Regie) und Carlo Tommasi (Ausstattung) und erfüllt ihren Zweck.
Für eine Repertoire-Vorstellung jedenfalls ein beachtliches Niveau.
Peter Dusek