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KÖLN: DIE KLUGE von Carl Orff. Premiere

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KÖLN: DIE KLUGE  von Carl Orff.                Premiere am 13. März 2016

 Dass Orffs „Kluge“ eine auf Anhieb erfolgreiche Oper war, belegt u.a. die Tatsache, dass sie nach der Frankfurter Uraufführung 1943 an weiteren 21 Bühnen gespielt wurde. Die von Heinz Tietjen 1941 für Berlin geplante Erstpremiere kam nicht zustande. Gustaf Gründgens war als Regisseur vorgesehen gewesen, in dem aus Sängern und Schauspielern gemischten Ensemble hätte Käthe Gold die Titelpartie übernehmen sollen. Nach dem Krieg machte vor allem die Felsenstein-Inszenierung 1948 nachdrücklich von sich reden. Zehn Jahre später wurde das Werk sogar in Tokio im Stil des klassischen Kabuki-Theaters gegeben. Ob die „Kluge“ immer in Kombination mit einem anderen Werk gespielt wurde, wäre näher zu eruieren. Der Komponist selber hatte es als Ergänzung zu seinem „Mond“ geplant; für dessen Burschen wären die Strolche der „Klugen“ dann eine Art Pendant gewesen. Kaum von ungefähr wurden die beiden berühmten Londoner Sawallisch-Einspielungen mit dem Philharmonia Orchestra sukzessiv aufgenommen.

Die neue „Kluge“ in Köln ist durchaus gezielt eine Soloproduktion. Ursprünglich war sie für die Kinderoper gedacht. Die räumlichen Veränderungen als Folge der Gebäude-Sanierung am Offenbach-Platz (eine mittlerweile unendliche Geschichte) führte zu einer Etikettierung als Familienoper, bei voller Orchesterbesetzung und Sängern aus dem Ensemble, also nicht aus dem Opernstudio.

Dennoch sollten die Kleinen voll einbezogen bleiben. Die Kölner Kinderoper ist ja auch eine unendliche Geschichte, aber eine erfolgreiche; dereinst wird sie einen eigenen, unterirdisch gelegenen Saal erhalten. Die Spielplanambitionen reichen von mobilen Aufführungen für Kindergärten bis hin zu Koproduktionen etwa mit dem ZOOM Kindermuseum Wien und den Bregenzer Festspielen (Elisabeth Naskes „Lollo“). Es gibt weiterhin begleitende Aktivitäten wie einen Wettbewerb, bei welchem Jugendliche bis zwanzig die Opernhandlung in Comic-Manier nacherzählen sollen.

Für den Verstandeshorizont ganz kleiner Zuschauer ist die „Kluge“ vielleicht schon etwas zu anspruchsvoll. Die Orff’sche Sprachvirtuosität erfordert manchmal auch ein intellektuelles Ohr und nach dem Sinn einzelner Szenenvorgänge soll – so ein Erfahrungsaustausch nach der Premiere – verschiedentlich gefragt worden sein. Andererseits konnte man auch beobachten, dass eine Nummer wie das saftige Terzett der Strolche („Als die Treue ward geboren“) adoleszente Zuschauer außerordentlich entzückte und zum gestischen Mitmachen animierte.

Ein wenig biedermeierlich und zahm ist das Werk im Laufe der Zeit aber wohl doch geworden, da hätte die Inszenierung etwas mehr Zunder geben können. BRIGITTE GILLESSEN, Leiterin der Kinderoper, lässt die Sänger (alle übrigens mit Rollendebüts) höchst aufgekratzt spielen, dennoch fühlt man sich über weite Strecken wie in einer Märchenstunde. Der optische Reiz der Aufführung ist freilich generell hoch, auch wegen der Ausstattung CHRISTOF CREMERs. Auf einer nach vorne geschrägten Spielfläche gibt es einen Turm, eine Riesentruhe mit diversen Inhalten und andere Versatzstücke. Im Hintergrund hat der König sein Domizil, eine Art Bühne auf der Bühne mit lauter Lilienenblemen, die sich auch auf den Kostümen der Bediensteten finden. Der später ausgerollte Teppich gleicht einem Schachbrett, auf dem sich Kluge und König sinnfällig ihr Match liefern. Alles wird am Schluss bedeckt oder ummäntelt mit naturhaft bemalten Stoffbahnen: ein naturhaft lichtes Ambiente für das lieto fine.

ALEXANDER RUMPF und das GÜRZENICH-ORCHESTER geben der Musik Orffs allen notwendigen Pfeffer; die etwas hallige Akustik des Raumes (Saal 3 im Staatenhaus) ist nicht ideal, aber auch nicht wirklich störend. Die Strolche (MARTIN KOCH, MICHAEL MROSEK, DENNIS WILGENHOF), die Eselsmänner (JOHN HEUZENROEDER, MARTIN KRONTHALER) sowie BJARNI THOR KRISTINSSON als Bauer und ZELOTES EDMUND TOLIVER (mittlerweile 67) als Kerkermeister sind prall singende und agierende Komödianten. OLIVER ZWARG, in Köln u.a. als Scarpia erfolgreich, gibt dem König die geforderten heterogenen Schattierungen, ANNA PALIMINA schwelgt als Kluge in sphärischen Soprantönen. Eine in toto liebenswerte Produktion für – wie man so schön zu sagen pflegt – jung und alt.

Christoph Zimmermann

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