MÜNCHEN / Bay. Staatsoper / IL TROVATORE 17.03.16 – Sängerfest
„Die vier besten Sänger der Welt“ standen zwar nicht unbedingt zur Verfügung, aber doch ein sehr attraktives Quartett. Die Krone gebührt Nadia Krasteva, die an diesem Abend erst ihre dritte Azucena sang. Mit ihrem warm timbrierten Mezzo „orgelte“ sie diese Partie ganz wie es sich gehört. Es ist einfach ein unerlässliches Stilmittel eines dramatischen, italienischen Mezzos, die Tiefen mit voller Bruststimme zu „orgeln“ (siehe Giulietta Simionato). Die Krasteva macht das prachtvoll, ohne die Höhen zu vernachlässigen, die hier niemals scharf wurden. Im Januar 2017 kommt dann endlich auch ihre Eboli nach München. – Die noch junge Amerikanerin Julianna di Giacomo verfügt in der Tat über einen attraktiv timbrierten Lirico-Spinto-Sopran. Jung, ja fast kindlich klingt diese Stimme (erinnerte mich etwas an Ljuba Welitsch), berückend in den Lyrismen, in den Höhen jedoch nicht immer ganz (treff-) sicher und leicht scharf. Dieses Problem sollte eigentlich zu beheben sein (ebenso wie ihr figürliches), auch wenn Frau di Giacomo schon eine Weile im Aufwind ist. – Anna Rajah (Opernstudio) mit ihrem viel versprechenden Edel-Sopran als Ines hat sich ebenso ihre Portion Lob verdient.
In dieser „gewöhnungsbedürftigen“, überfüllten Inszenierung in der sich lebhaft bewegenden Szenerie (Py/Weitz) glänzte als Manrico Yonghoon Lee, der sehr attraktive Koreaner mit dem großen Spieltemperament und dem knalligen „Angeber“-Tenor. Er hat zwar einige vokale Mängel, packt einen aber als Gesamtkunstwerk letztlich immer. Er steigert sich selbst in dieser seltsamen Umgebung vollkommen überzeugend in seine Rolle. Gesanglich irritierten zu Beginn einige kehlige Töne beim Ständchen, was sich zum Glück bald minderte. Er kann wunderbare Lyrismen von sich geben – „Ah si, ben mio“ – aber wenn er Gelegenheit hat, seine extrem hell strahlende, eben „knallige“ Höhe zu präsentieren, so tut er das mit Furor. So wartet er zum Schluss der Stretta ab, bis der Chor (wie immer mehr als erfreulich) fertig ist, dann holt er gaaanz tief Luft und schmettert (in bewährter italienischer Tenor-Tradition) ein zwei-silbiges „al’AR-MI!“ in den Raum, das er bis zum „Gehtsnichtmehr“ anhält. Klar, dass solches das Publikum enthusiasmierte. – Auch der Russe Igor Golovatenko ist ein attraktiver Kerl und Graf Luna. Er neigt leider dazu, seinen ohnehin kraftvollen Bariton überwiegend mit zu viel Gewalt einzusetzen. Ich hoffte auf edles Bariton-Strömen bei „Il balen“, aber nach wenigen Takten fiel Golovatenko selbst hier ins „Brüllen“ (unfeiner Ausdruck, ich weiß, hier jedoch treffend). Natürlich ist so etwas der Stimmschönheit nicht zuträglich. Auf Youtube gibt es Onegin-Ausschnitte mit Golovatenko, dort klingt seine Stimme weitaus angenehmer. – Ferrando/Goran Jurić mit großem, warm timbriertem Bass, ergänzte die Sängerschar sehr zufriedenstellend. Dean Power/Ruiz möchte man ob seiner schönen Stimme und attraktiven Erscheinung inzwischen eigentlich nur noch in größeren Rollen genießen (siehe Elemer!). –Antonello Allemandi leitete mit ungewöhnlicher Gestik die Aufführung und das gut gestimmte Staatsorchester (vermutlich saß ein Maestro corregidore im Kasten, da sich zum Schluss mehrere Sänger mit Handschlag bei der Person darin bedankten). Aber was die Lautstärke angeht, damit ging’s bei ihm sauber zu Werke. Dadurch könnte der eine oder andere Sänger zum Forcieren angeregt worden sein. Bei den angesprochenen Lyrismen zeigte sich der Dirigent aber doch sehr einfühlsam.
Das von Regisseur Olivier Py vorgesehene Blindsein der Leonore, ging jetzt nahezu ganz unter – braucht ja auch keiner – und für die Sängerin ist es sicher so bequemer. Darstellerisch kam von der aktuellen Leonora eh wenig.
Das Publikum zeigte sich beim Schlussapplaus recht begeistert und jubelte den insgesamt hoch erfreulichen Sängerpersönlichkeiten kräftig zu.
Doro Zweipfennig
Fotos Wilfried Hösl: Nadia Krasteva/Azucena und Yonghoon Lee/Manrico