Wiener Staatsoper
Adolphe Adam: »LE CORSAIRE«
20. März 2016
Première in der Choreographie von Manuel Legris

»Le Corsaire«, 3. Akt: Liudmila Konovalova (Gulnare), Mihail Sosnovschi (Seyd Pascha) und Ensemble
© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
Tout le monde gab sich ein Stelldichein, als am gestrigen Abend Manuel Legris Fassung des Le Corsaire, 1856 in Paris uraufgeführt, aus der Taufe gehoben wurde. Mit seinem ersten abendfüllenden Handlungsballett, geschaffen für seine Wiener Compagnie, stellte sich der große Tänzer und hochgeschätzte Ballettmeister des Wiener Staatsballetts nun auch als Choreograph vor.
Feierte man in den vergangenen zwei Jahren den Geburtstag Rudolf Nurejews am 17. März mit dessen eigener Version des Schwanensee, so gab es in diesem Jahr ein neues Geschenk von Manuel Legris und der Compagnie.
Zur Musik von Adolphe Adam u.a. erarbeitete Legris seine Fassung des Le Corsaire. In diversen Interviews betonte er, daß er, da er als Tänzer das Stück nie einstudiert hatte, vollkommen unbelastet ans Werk ging. Natürlich würden einige Szenen aus der Petipa-Fassung unangetastet den Weg auf die Wiener Bühne finden, so zum Beispiel der große Pas de deux im zweiten Akt und der Jardin animé im dritten Akt.
Basierend auf dem Poem „The Corsair“ von George Gordon Noël Byron, besser bekannt als Lord Byron, erschienen 1814, wurde für die Wiener Fassung die doch recht verworrene Handlung etwas vereinfacht. Die Begeisterung für den Zauber des Orients war groß im 19. Jahrhundert, man denke nur an Ingres und Delacroix. So nimmt es nicht wunder, daß auch die Literaten und Komponisten für diese fremdartige Kultur schwärmten.
Unter der Stabführung von Valery Ovsianikov, mit Rainer Küchl und Maxim Brilinksy am Konzertmeisterpult, ging es durch Sturm und Unwetter nach Griechenland. Luisa Spinatelli, dem Wiener Publikum bereits bekannt durch die Ausstattung des Schwanensee, zeichnet verantwortlich für die Kostüme und das Bühnenbild. Sie verzaubert mit zarten Farben ihr Publikum und bringt jeden einzelnen Tänzer wunderbar zur Geltung. Ein Dank an das Teatro alla Scala di Milano, daß es dort nicht zur Produktion des Corsaire gekommen ist und wir nun das Glück haben, diese in Wien zu genießen.
Es war sicherlich nicht leicht, aus der Vielfalt der Tänzer die verschiedenen Partien zu besetzen. Aber es ist Manuel Legris gelungen, seine Tänzer ins rechte Licht zu rücken. Es wird in den Folgevorstellungen zahlreiche weitere Besetzungen geben, die alle ihren Reiz haben. Eigentlich müßte man in jede Vorstellung gehen. Und jedes Mal werden neue Facetten einer Rolle zu entdecken sein, es werden spannende zwei Wochen.

»Le Corsaire«, Pas de deux, 2. Akt: Maria Yakovleva (Medora) und Robert Gabdullin (Conrad)
© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
Robert Gabdullin wurde die Titelpartie anvertraut. Als Conrad erobert er die Meere und das Herz Médoras, Maria Yakovleva. Die Tücken der Premiere brachten die ein oder andere Unsicherheit mit sich, die sich im Laufe der Zeit sicher legen werden. So war es auch schon bei anderen Partien, mit jeder Folgevorstellung hatte er mehr Sicherheit gezeigt.
Liudmila Konovalova als Gulnare tanzte ihre Partie mit soviel Freude, daß immer wieder der Eindruck aufkam, daß diese Rolle die eigentliche weibliche Hauptpartie sei. Im Vergleich zu Maria Yakovleva war Liudmila Konovalova präsent und lebendig. Und das lag sicherlich nicht an der Choreographie, sondern an ihrer Persönlichkeit; sie wird in einer der Folgevorstellungen die Médora zur Hauptpartie machen. Maria Yakovleva zeigte leider wieder, wie auch schon an anderen Abenden, diverse Unsauberheiten, da fehlte manchmal die Spannung im Körper, die Akkuratesse in der Ausführung. Sie erweckte nicht den Eindruck, als ob sie mit dem Herzen bei der Sache sei.
Lanquedem, der Sklavenhändler, war bei Kirill Kourlaev bestens aufgehoben. Er verfügt über das richtige Maß am Bühnenpräsenz und die entsprechende Virilität, um die Kraft dieser Rolle zu zeigen. Seine Soli lassen den Zuschauer in Bewunderung verharren. Man kann fast nicht glauben, zu was der menschliche Körper alles fähig ist. Ähnlich ergeht es einem bei Davide Dato als Birbanto. Der junge Italiener konnte hiermit eine neue Partie in sein Repertoire aufnehmen, die maßgeschneidert für ihn scheint. Es wird nicht einfach sein, ihm diese Choreographie nachzutanzen. Im Publikum vernahm ich den Ausspruch, Davide Dato habe sprechende Füße. Ein schöneres Kompliment kann man einem Tänzer nicht machen. Ihm zur Seite stand die temperamentvolle Alice Firenze als Zulméa.

»Le Corsaire«, Figurine der kleinen Blumen von Luisa Spinatelli
© Wiener Staatsballett/Luisa Spinatelli
Seyd Pascha, eine Partie, die fast nur von der Pantomime lebt, also einen sehr präsenten Tänzer fordert, wurde von Mihail Sosnovschi gegeben. Hervorragend, mit welch kleinen Gesten, manchmal nur einer Wendung des Kopfes und eines Blickes, er es vermag, den Pascha zu portraitieren. Eine gut ausgeführte Pantomime ist schwerer auf die Bühne zu bringen als manches virtuose Solo. Die große Kunst ist es hier, nicht lächerlich zu wirken.
Natascha Mair, Nina Tonoli und Prisca Zeisel, alle Halbsolistinnen der Compagnie, tanzten die drei Odalisken im Palast des Seyd Pascha. Die jungen Tänzerinnen steckten ein sehr hohes Ziel für alle anderen, die ihnen die drei Soli nachtanzen sollen. Es wird nicht leicht werden. Bei den drei jungen Damen darf man gespannt sein, wie sie ihr Potential in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden.
Eines ist sicher: Manuel Legris kann hier einen großen Erfolg für seine Compagnie und für sich verbuchen. Es ist immer ein Wagnis, mit einem abendfüllenden Handlungsballett die Welt der Choreographen zu erobern. Nach nur einer Aufführung kann man es auch nicht wagen, ein Urteil abzugeben, da gab es zu viel, was noch gar nicht wahrgenommen werden konnte. Es müssen also weitere Vorstellungen folgen. Daß viel Leidenschaft und Arbeit investiert wurde, das läßt sich heute schon sagen. Alles weitere wird das Publikum entscheiden.
Gestern Abend feierte das Premierenpublikum erst einmal die Tänzer und ganz besonders Manuel Legris. Mehrfach war zu vernehmen, daß man sich auch zur zweiten Vorstellung treffen wird … und sicherlich auch noch zu weiteren.
In der Begeisterung des Premierentaumels soll nicht vergessen werden, daß ein herzliches Dankeschön an die Presseabteilung der Staatsoper ergeht, die freundlicherweise die Probenfotos und Zeichnungen der Figurinen zur Verfügung gestellt hat.
Folgevorstellungen in wechselnden Besetzungen am 21., 23., 28. und 31. März sowie am 2. April 2016.
P.S.: Ist es eigentlich mittlerweile Usus, daß zahlreiche Besucher, allen voran die bekannte Soubrette Birgit Sarata, nach Beginn eines Aktes in den Zuschauerraum eingelassen werden und damit alle anderen Besucher und im Besonderen die Tänzer und Musiker in ihrer Konzentration stören dürfen? Gerade sie als darstellende Künstlerin sollte über mehr Kollegialität verfügen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Ulrike Klein
MerkerOnline
21. März 2016