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BERLIN/ Komische Oper: DER VAMPYR nach Heinrich Marschner findet Gefallen. Premiere

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Berlin/ Komische Oper: „DER VAMPYR“ findet Gefallen, Premiere, 20.03.2016

Heiko Trinsinger, Vampyr, im ersten Outfit. Foto Iko Freese I drama-berlin.de
Heiko Trinsinger, Vampir, im ersten Outfit. Copyright: Iko Freese l drama-berlin.de

Ein bisschen Grusel, ja bitte. Denn alle wissen, dass ein solcher auf der Bühne, im Kino oder TV nur ein mehr oder weniger blutrünstiges Spiel ist, das die vielerorts so brutale Gegenwart im bequemen Sessel vergessen lässt.

Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die Schauerromantik regelrecht Hochkonjunktur, und Heinrich Marschners Stück „Der Vampyr“ von 1828 – nach einer Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück – traf genau den Nerv der Zeit. Heutzutage sind es Horrorfilme oder Tatort-Varianten. Viele mögen wohl gerne Blut fließen sehen.

Daran ist in der Komischen Oper bei der Premiere des lange vergessenen Werkes, inszeniert von Aufsteiger Antú Romero Nunes, tatsächlich kein Mangel. Zusammen mit dem Dramaturgen Ulrich Lenz hat er zudem eine neue Textfassung erstellt und so die Oper um rund die Hälfte auf 90 Minuten gekürzt.

Dennoch fließt das Theaterblut von Anfang an in Strömen. Alle sind blutverschmiert. Selbst der Chor, eine Schar von Untoten spielend, wankt mit entsprechenden Gesichtsmasken auf der Bühne (eingerichtet von Matthias Koch) hin und her. Diese Zombies, oft verrenkt übereinander fallend, singen, einstudiert von David Cavelius, dennoch großartig.

Auch der kräftige Titelheld – Heiko Trinsinger mit ebenso kräftigem, wohl tönendem Bariton – hat bereits Blut im Gesicht, wenn er mit nacktem Oberkörper und in schlabbriger Jogginghose (Kostüme: Annabelle Witt) zunächst Plastikspinnen ins Publikum wirft, um sich dann gleich aus der ersten Reihe eine dort hinplatzierte junge Frau zu greifen. Er zerrt die Schreiende auf die Bühne, beißt ihr in den Hals und saugt das frische Blut. Dracula lässt grüßen.

Nicole Chevalier killt Zoltán Nyári, den neuen Vampyr. Foto Iko Freese I drama-berlin.de
Nicole Chevalier (Malvina) killt Zoltán Nyáry, den neuen Vampyr. Copyright: Iko Freese I drama-berlin.de

Das restliche Blut wird in einen riesigen, schon gut gefüllten Kelch geschüttet. Ist das eine Anspielung? Am gleichen Abend bringt die Staatsoper im Schillertheater Richard Wagners Parsifal.- Doch damit nicht genug. Das Opfer wird ausgeweidet, die Innereien werden vor den Zuschauern geschwenkt und dann auf dem Rost gebraten. Gierig eilen die Zombies herbei. Guten Appetit!

Da das alles so herzhaft übertrieben ist, goutiert es das Publikum, während sich Edgar Aubry (gesungen von Zoltán Nyári) vor Ekel das Taschentuch vor den Mund presst. Er liebt Malwina, die Tochter von Sir Humphrey, Lord von Davenaut. Der aber will sie – die kapriziöse Nicole Chevalier – ausgerechnet Lord Ruthven zur Frau geben. Der, nun recht elegant im langen schwarzen Gewand, ist kein anderer als der Vampyr. Die angedeuteten Warnungen von Edgar Aubry ignoriert der Alte (Jens Larsen).

Genaueres wagt Aubry nicht zu sagen. Er hat geschworen, den Vampyr nicht zu verraten, sonst würde er selbst einer. Andererseits braucht der Vampyr bis Mitternacht drei Jungfrauen, um noch ein Jahr bei den Menschen verbringen zu dürfen.

Die zweite lässt sich allerdings gerne von ihm, einem versierten Schmeichler, verführen. Der geheimnisvolle Charmeur reizt sie. Die schöne, 28jährige Maria Fiselier singt diese Neugierig-Lüsterne mit frischem, wohltuend ins Ohr gehendem Mezzo. Ihre Kantilenen haben bei Wagner, der Marschner schätzte und sich angeblich von ihm zum Fliegenden Holländer inspirieren ließ, in Sentas Lied eine Fortsetzung gefunden.

Marschner wiederum nahm sich Carl Maria von Weber und speziell dessen „Freischütz“ mit der Wolfsschlucht-Szene unverkennbar zum musikalischen Vorbild. Die Angst des Mannes um seine Geliebte erfasst auch die Herren neben dem Vampyr. Während Max und seine Agathe doch noch ein Paar werden, kann Marschners George Dibdin (Ivan Turšić) trotz des körperlichen und stimmlichen Einsatzes seine Emmy nicht vor dem Blutsauger retten und kommt offensichtlich selbst zu Tode.

Die Dritte jedoch, Malwina, spürt von Anfang die unheilvolle Aura des Lords, doch der Vater folgt weder ihren Bitten noch dem Vorschlag ihres geliebten Edgar, die Hochzeit um einen Tag zu verschieben. Doch immer wieder entwischt die quicke Nicole Chevalier dem energischer werdenden Vampyr, wehrt sich sozusagen auch mit ihrem schillernden, anfangs etwas schrillem Sopran. Edgar, Schwur hin, Schwur her, eilt ihr zu Hilfe, und die Glocke schlägt 12.

Der Lord muss ins Reich der Zombies, das junge Paar liegt sich in den Armen. Doch nun will der Lover, der seinen Schwur gebrochen hat, als neuer Vampyr zubeißen. Malwina reagiert schnell und rammt ihm mehrfach ein Holz in die Brust. Auch dieser zweite Blutsauger hat bei ihr verspielt.

Und was spielt das gut geschulte Orchester des Hauses unter Leitung des eher heftig zupackenden Dirigenten Antony Hermus? Das spielt nicht nur Marschners Musik, aber auch moderne Einschübe, komponiert von Johannes Hofmann. Die dramatischsten Stellen sollen durch diese Zutaten gruseliger wirken, als es bei Marschners harmonischen Spätromantikklängen der Fall wäre.

Das Publikum goutiert auch dieses, hat sich per saldo bon amüsiert und bedankt sich bei allen Mitwirkenden unter Führung von Heiko Trinsinger, Nicole Chevalier, Maria Fiselier und Jens Larsen mit heftigen Beifall. Den haben sie verdient. Auch das Regieteam erntet kräftigen Applaus.  

Ursula Wiegand

 Weitere Termine: 26.03., 03., 17. und 23.04 sowie am 05.07.

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