23.3.: „LE CORSAIRE“. – gelungene Symbiose von französischer Finesse und russischer Schule
Großartig: Denys Cherevychko (Conrad). Copyright: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor
Dritte Vorstellung, dritte Besetzungsvariante: auch in dieser Aufführung gab es (teilweise) eine neue Besetzung. Gleich vorweg: Unbestrittenes, vom Publikum umjubeltes strahlendes Glanzlicht war Denys Cherevychko in der Titelrolle. Was er bei seinem Debut technisch aus der Partie des Piraten Conrad herausholt ist einfach unglaublich. Er springt hoch und raumgreifend weit; dreht ungezählt viele perfekte Pirouetten. In einer etwas abgeänderten, noch diffizileren Choreografie als diejenige, die seine beiden Rollenkollegen zuvor in den ersten beiden Abenden zeigten, kommt seine Bravour entsprechend zur Geltung. In der strafferen, weitaus verständlicheren und damit leichter nachvollziehbaren Handlung tanzt er als Pirat Conrad den berühmten Grand Pas de deux mit Médora (die Figur des Ali wurde eliminiert) – und stellt damit souverän die vielen bekannten Vorgänger in den Schatten. Phänomenal, was er hier an superber Technik mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit darbietet. Auch ausdrucksmäßig zeigt er sich stark und besticht als Anführer der Seeräuber.
Großartig: Kyoka Hashimoto (Médora). Copyright: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor
Kiyoka Hashimoto, vor zwei Tagen noch als Gulnare zu sehen, debütiert diesmal in der anderen weiblichen Hauptpartie. Als Médora verkörpert sie nicht nur zarte Weiblichkeit, sondern auch innige Liebe aber auch großen Mut, als sie sich tapfer den meuternden Piraten angeführt von Birbanto entgegenstellt um den außer Gefecht gesetzten Conrad zu beschützen. Tänzerisch demonstriert sie saubere flinke Fußarbeit, elegante Form und schöne Linie, was die Zuschauer mit begeistertem Applaus belohnen. Die Würdigung ihrer Leistung durch den Ballettdirektor erfolgt nach dem Schlussvorhang: Manuel Legris ernennt sie wegen ihrer außerordentlichen Darbietung zur Ersten Solotänzerin.
Masayu Kimoto ist als Birbanto ein ebenso präsenter wie geschmeidiger und sprungstarker Gegenspieler zu Conrad. Zuerst sein treuer Gefolgsmann, kehrt sich seine Loyalität ins Gegenteil um und er büßt seinen Verrat mit dem Tod.
Legris setzt hier wieder auf seine jungen Tänzer. Francesco Costa hat bereits mehrfach bei den „Jungen Talenten“ in der Volksoper aufhorchen lassen, vor allem mit dem Solo „les bourgeois“ begeisterte er damals alle – nun stellt der junge Italiener erneut unter Beweis, welches Potenzial in ihm steckt. Er gestaltet seine Rolle als Sklavenhändler Lanquedem mit einer Mischung aus cooler Unverfrorenheit und cleverem Geschäftssinn. Auch tänzerisch reüssiert der Corpstänzer durchwegs und kann sich somit über ein sehr gelungenes Debut freuen. Nina Tonoli hingegen, seit dem Vorjahr Halbsolistin, kann bei ihrem ersten Auftritt als Gulnare nicht ganz überzeugen – sei es aus Nervosität oder zu kurzfristiger Vorbereitung, wirkt sie mit der Schwierigkeit der Schritte ein wenig überfordert. Auch bei den drei Odalisken gibt es Besetzungsveränderungen: zur quirligen Natascha Mair kommen neu die elegante Eszter Ledán und die fragile Anita Manolova hinzu.
Solide gibt sich Alice Firenze als Zulméa. Jaimy van Overeem verleiht seinem Seyd Pascha huldvolle Großmut und ein Faible für die schönen Dinge im Leben, umgibt er sich doch in seinem Harem mit einer Schar an hübschen Mädchen, denen er mit Gulnare sein persönliches Juwel hinzufügt. Auch das Corps de ballet tanzt mit Verve und viel Esprit.
Die Themen dieses Werks sind auch heute noch gültig – es geht um Liebe und Verrat, aber auch Brisanteres wie Piraterie und Menschenhandel sind leider auch im 21. Jahrhundert noch von großer Aktualität. Legris setzt in seinem Choreografie-Erstling als abendfüllendes Ballett auf eine rein klassische Umsetzung. Die edle Kulisse (Ausstattung: Luisa Spinatelli) benützt nur spärlich Dekorationsstücke – da ein Sofa, dort ein Teppich mit Kissen – um die Bühnenweite ganz dem Tanz zu belassen. Die in geschmackvollen Farben gehaltenen Kostüme ergänzen harmonisch zum exotischen Lokalcolorit. Das Bühnengeschehen (nach Lord Byron mit adaptiertem Libretto (Manuel Legris und Jean-Francois Vazelle) läuft fließend und sehr gefällig wie in einem Film ab. Valery Ovsianikov führt das Orchester zügig und mit schönem Klang tänzerentsprechend durch die mehrheitlich von Adolphe Adam stammenden Musikstücke.
Ira Werbowsky