„Tristan und Isolde“ im Badischen Staatstheater Karlsruhe
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Christopher Aldens Inszenierung entführt die Zuschauer in einem grün-schwarz gehaltenen Ambiente in die Kriegszeit der 30er und 40er Jahre. Lichtdurchflutete Räume beschreiben die Zeit um 1940, Tristan und Isolde begegnen sich in dieser voll besetzten Halle, reichen sich nach anfänglicher Abwehr den Liebestrank. Da entsteht durchaus ein elektrisierendes Knistern zwischen den handelnden Personen. Grüne Sessel und Kerzen sowie riesige Säulen geben dem Raum etwas Kahles und Erhabenes. Isolde hält das Bildnis eines Kriegssoldaten in den Händen. Noch wesentlich größere Lebendigkeit gewinnt dann der zweite Akt, wo sich das Liebespaar Tristan und Isolde erheblich näherkommt. Doch schon im ersten Akt haben sie teilweise ganz zusammengefunden. Plötzlich brennt die Halle – und Tristan und Isolde werden von dem eifersüchtigen König Marke und seinen Männern entdeckt. Eine unheimliche Perspektive von oben tritt immer stärker hervor und taucht die Bühne in eine unheimliche Atmosphäre. Trotz der Kargheit des szenischen Entwurfs (Bühne: Paul Steinberg) kommt hier ein metaphysisches Element ins Spiel, das das Publikum ungemein fesselt und nicht mehr loslässt.
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Copyright: Staatstheater Karlsruhe
Im dritten Akt ist das Ambiente wieder weiß gehalten, die grünen Sessel werden mit Tüchern überzogen. Der von Melot tödlich verwundete Tristan liegt auf dem Bett und erwartet Isoldes Schiff. Tristan gerät außer sich, wirft Blumen und Gegenstände durch den Saal. Plötzlich erscheint Isolde und setzt sich scheinbar teilnahmslos in einen Sessel, während der traumatisierte Tristan um sie herum wütet und schließlich tot zusammenbricht, als er sie erblickt. Das ist eine ungewöhnliche und neue Sichtweise. In grellem Lichtstrahl erscheint zuletzt König Marke und sein Gefolge und beklagt die Toten (Licht: Stefan Woinke). In den Kostümen von Sue Willmington können sich die Akteure gut entfalten.
Für den amerikanischen Regisseur Christopher Alden ist der „Tristan“ ein autobiographisches Werk – und das merkt man der Inszenierung deutlich an. Das metaphysisch hohe Gut der idealen Zweisamkeit erhält im ersten und zweiten Akt durchaus Gewicht, wird nur im dritten Akt durch den schwer kranken Tristan durchbrochen. Tristan und Isolde sind hier gegen das Establishment und handeln dementsprechend. Sie stehen aber immer unter dem Einfluss einer Droge, nämlich des Liebestranks. Das verleugnet Christopher Alden keineswegs. Die Rolle der sterbenden Isolde findet Alden problematisch, die stimmlich grandiose Heidi Melton als Isolde sieht in Isolde keine Frau, die ihr Leben dem Mann opfert, sondern eine Frau, die sich für ein Ideal opfert, an das sie glaubt. Und so singt sie die Rolle auch, deswegen ist es so überzeugend. Im dritten Akt ist Isolde während des fieberhaften Deliriums von Tristan teilweise auf der Bühne, eine völlig neue Sichtweise. Christopher Alden möchte hier zeigen, dass Tristan und Isolde nach dieser für sie traumatischen Katastrophe nicht nur räumlich, sondern auch emotional voneinander getrennt sind. Musikalisch ist diese Aufführung hochwertig. Der Dirigent Justin Brown führt die Badische Staatskapelle immer wieder zu neuen Gipfelpunkten. Er hat sich für eine Partitur ohne Striche entschieden, ganz so wie Cosima Wagner es wollte. Das verleiht dieser glutvollen Interpretation etwas Authentisches.
Ulrich Wagner hat die Herren des Badischen Staatsopernchores ausgezeichnet einstudiert. Die erweiterte Harmonik und die keimzellenartige Entwicklung der einzelnen Motive werden exzellent herausgearbeitet. Den Artikulationen der „Weltennacht“, wie sie Wieland Wagner vorschwebte, werden Heidi Melton und Erin Caves in beeindruckender Weise gerecht. Zarte Lyrik und mächtiger Ausbruch finden bei Heidi Meltons Interpretation zueinander, während Erin Caves Tristan als einen Gezeichneten darstellt. Manches wird dann wirklich kammermusikalisch zart interpretiert, vor allem in den Holzbläser-Soli und in den Streichern. Was die Inszenierung von Christopher Alden zuweilen vermissen lässt, macht die musikalische Darstellung wett: nämlich den enormen Klangfarbenreichtum der Wagnerschen „Wunderharfe“. Vollendung der Leidenschaft im Tod findet so ihren ergreifenden Ausdruck. Der sinfonische Bau wird hier oftmals bis zum Zerbersten ausgereizt und zeigt immer größere klangliche Intensität. Die zwischen Tristan und Isolde bestehende Liebesverfallenheit gewinnt zuweilen eine fast schon sakrale Kraft, die an den „Parsifal“ erinnert. Die Mischung der „Tristan“-Musik zwischen Klassischem und Romantischem wirkt bei dieser Wiedergabe kühn und folgerichtig. Katherine Tier gewinnt dem Warngesang der Brangäne (die im zweiten Akt dem Liebestodgesang kontrastiert) endlos flutende Kantilenen ab, denen sich niemand entziehen kann.
Justin Brown nimmt sich als Dirigent hier oftmals zurück, was zu durchsichtig-schillernden Klangexzessen führt. Bewegend schwingt sich der Gesang der Liebenden zu hohem As-Dur auf, um unisono auf dem hohen As beim Wort „Liebe“ den Gipfelpunkt zu erreichen. Und die musikalische Bewegung im Orchester bei der Gegenüberstellung vom As-Dur zum G-Dur gelingt Justin Brown mit der Badischen Staatskapelle vorzüglich. Der Tod Tristans mit dem Celli-Motiv „Tristans Blick“ erreicht bei dieser Wiedergabe einen ergreifenden emotionalen Höhepunkt. Rätselhafte neue Melodik und Rhythmik melden sich beim kühnen Volkslied und der „Alten Weise“ des Hirten zu Beginn des dritten Aktes (Englischhorn: Michael Andreas Höfele), wo Justin Brown mit dem Orchester viele in die Zukunft weisende Harmonien deutlich akzentuiert. Jens Böcherer setzt mit seiner Holztrompete ebenfalls Glanzpunkte. Damit werden die solistischen Aspekte dieser Interpretation unterstrichen. Der Kreislauf der Unentrinnbarkeit des Schicksals wird gnadenlos betont. Und der H-Dur-Akkord des Liebestodes gewinnt dabei eine erstaunliche Verklärung. Mit der Chromatik des „Tristan“-Vorspiels wird auf die Gefühlserfüllung hingewiesen.
Begeisterter Schlussapplaus schloss auch die Statisterie des Badischen Staatstheaters mit ein.