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KARLSRUHE: TRISTAN UND ISOLDE –….und wieder ein inszenatorisches Missverständnis! Premiere

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Karlsruhe: „TRISTAN UND ISOLDE“ 27.03.2016

 

                    Au, du dickes Ei….

….und wieder ein inszenatorisches Missverständnis!

Heidi Melton als dekorierte Isolde @F.v.Traubenberg
Heidi Melton als dekorierte Isolde. Foto: Falk von Traubenberg

 Zu Ostern legte der Osterhase pardon das Badische Staatstheater seinen Besuchern ein besonders dickes Ei „Tristan und Isolde“ (Richard Wagner) ins Nest. Suchspiele entfielen denn man verpackte das szenische Missverständnis in die bühnenfüllende Lounge eines Kreuzfahrtschiffes. Grünes, schwarzes Designer-Sitzmobilar in einer Bauhaus-Stil-Halle (Paul Steinberg) bilden das großzügige Ambiente, dazu Anzüge und Kleider ((Sue Willmington) der Mode um 1930.

Nichts gegen eine zeitgenössische Optik ganz im Gegenteil zeigen sich Bühnenausstattung und Interieur in derart ästhetischem Licht, bieten sie geradezu Garanten einer modernen Sichtweise – doch weit gefehlt. Im Programmheft finden sich die Anmerkungen des Regisseurs Christopher Alden: Einerseits inszeniere ich gerne in einem modernen Ambiente, insbesondere wenn sich um ein so zeitloses Stück wie den Tristan handelt. Historische Kostüme finde ich deswegen schwierig, weil das Historische von der Psychologie der Figuren ablenken kann.

O wie du dich trügst sind die Worte Isoldes, ich persönlich bemerke dazu lediglich „könnte“ sofern ein Regisseur die psychologischen Konstellationen der Figuren des Dramas erfasst, durchaus  nachvollziehen kann. In seiner Sichtweise inszenierte Alden verfremdend drauflos ohne Rücksicht der inhaltlichen Komponente. Erzählte mir dereinst zur letzten Tristan-Produktion am Hause ein Sänger: der Regisseur kam zur ersten Verständigungsprobe und fragte „Tristan und Isolde, um was geht es da?“ Das Ergebnis damals war eindeutig und wurde lautstark ausgebuht. Heute stellte sich mir unwillkürlich die Frage „wusste Alden um die Materie“? Leider widerfuhr ihm eine zu humane Contra-Behandlung.

Im Gegensatz der dubiosen Regie überraschte GMD Justin Brown mit einer akustisch phänomenalen Interpretation, ließ bereits während der Klangfluten im spannungsreichen  Vorspiel erahnen, zu welchen Steigerungen sich die inspiriert musizierende Badische Staatskapelle noch entfalten dürfte. Diese Erwartungen wurden nicht nur erfüllt – nein bei weitem übertroffen! Sachkundig animierte der versierte Dirigent das prächtig aufspielende Orchester zu moderaten Tempi während der langen Monologe, erreichte in konzentriert frischer Partituranalyse eine farbenreiche Transparenz, schlanke Dynamik im entschlackten prägenden  Gesamtklang. Bei Brown dominierten in erster Linie während der musikalischen Abläufe die getragenen, dennoch wogenden Ausformungen der Tempi zur allmählich ausufernden Ekstase. Nie störten überlaute Eruptionen, stets in formidabler Intonation entfalteten sich Blechfraktionen, bestens harmonisierend mit den elegischen Streichern vereint zu jenem aphrodisischen  Klangopium.  Ausgezeichnet ertönten die Soli von Englischhorn (Michael Andreas Höfele) und Holztrompete (Jens Böcherer).

Hatte ich Heidi Melton aus diversen Produktionen in bester Erinnerung, wurden meine Erwartungen zur Isolden-Interpretation bei weitem übertroffen und glänzte als fulminante „irische Maid“. Ihren Monolog im ersten Bild sang Melton mit vokalem Detailreichtum, spielte zudem im Pianissimo die lyrischen Qualitäten ihres herrlich timbrierten Soprans vielfältig und nuanciert aus. In ungewöhnlicher Schönheit entfaltete sich die Stimme, in tief empfundener Emotion erklang die Passage Er sah mir in die Augen. Ohne Fehl und Tadel, aufblühend im Ton, dynamisch im dramatischen Ausbruch, übermächtig im klangvollen, atemberaubenden Volumen, gepaart mit traumwandlerisch-schwebenden Piani u.a. beim Liebesduett fanden sich zum alles umspannenden, überwältigenden Vokalfocus. Strömend weiche, leuchtende Bögen schenkte Heidi Melton dem finalen Liebestod in schier mystischer Verklärung.

Erin Caves (Tristan) Heidi Melton (Isolde) @ Falk von Traubenberg
Erin Caves und Heidi Melton. Copyright: Falk von Traubenberg

Ihr zur Seite ein Tristan von Format Erin Caves, einem Sänger höchst respektabler Gesangsleistungen. Man erlebte einen strahlkräftigen, höhensicheren bestens grundierten Wagner-Tenor  beachtlicher Reserven. Caves Vokalportrait ist erfüllt von Emotionen, sein Tristan schwelgt stets, selbst während der kräftezehrenden Fieberträume in „Melodie“, seine Monologe erklingen geprägt von hoher Musikalität. Jede Note wurde wunderschön in bester Artikulation gesungen, nicht deklamiert. In vokaler Konsequenz lotete der prädestinierte  Sänger seine Partie nuanciert in farbenprächtiger Individualität aus.

Beste Diktion verlieh Seung-Gi Jung dem getreuen Kurwenal, schenkte seinem bestens fundierten Bariton satte Tiefen, expansive metallische Höhenflüge sowie warme markante Farbnuancen.

Eindringlich ohne jegliche Larmoyanz erfüllte Renatus Meszar die Monologe des Marke, verlieh seinem Bass prägnante dunkle, jedoch keineswegs schwarze Töne und neigte relativ schnell zur Ermüdung.

Mit wenigen Stimmfarben konnte Katharine Tier punkten, ihrem hellen Mezzosopran fehlten hörbar jegliche substanziellen Mittel um der Brangäne gerecht zu werden, dass sie höchst seltsam regielich auferlegt agieren musste, trug keineswegs zum besseren Rollen-Verständnis bei.

Erfrischend leicht, sehr schönstimmig hellstrahlend kam der lyrische Tenor Cameron Becker als Hirt und junger Seemann daher. Vokal gut disponiert absolvierten Klaus Schneider (Melot) und Mehmet Altiparmak (Steuermann) ihre kurzen Parts. Starke vokale, sehr intensive  Akzente setzten die stets präsenten Herren des Badischen Staatsopernchores (Ulrich Wagner).

Das Publikum außer Rand und Band,  feierte Sänger und Orchester fünfzehn Minuten lang mit Ovationen.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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