Stuttgarter Ballett
„ROMEO UND JULIA“ 27.3.2016 – neue Rolleneroberungen
Junge strahlende Liebe: Miriam Kacerova (Julia) und Constantine Allen (Romeo). Copyright: Roman Novitzky
Nach ihrem Debut während der Asien-Tournee im vergangenen November schlüpften Miriam Kacerova und Constantine Allen nun auch im heimischen Stuttgart in die Rollen des unsterblichsten aller Liebespaare und betonten in ihrer beiderseits jugendlichen als auch attraktiven Ausstrahlung wieder einmal den Reiz einer phasenweise noch durchschlagenden Unbefangenheit. Auch wenn die Slowakin etwas gesetzter und in manchen Dingen überlegter als er in seinem manchmal auftretenden Ungestüm wirkt, bleibt sie das schwärmerische Mädchen an der Schwelle zur Frau. Und er nimmt durch seine Kombination aus Charisma und Sensibilität Partnerin wie Publikum gleichermaßen gefangen. An Kacerovas tänzerischem Einsatz sticht nichts speziell hervor, vielmehr runden sich alle Parameter zu einer auch im sich zuspitzenden Drama natürlichen Gesamtheit, in der alle Details einer lyrischen Attitude ihren goldrichtigen Platz haben. Bei Allen sind es vor allem die fließend runden Drehungen und bei aller Emphase in Ruhe bewerkstelligten Hebungen, die für schwebende Momente und letztlich eine sichere Partnerschaft sorgen.
Im Geschwindschritt erobert Marti Fernandez Paixa derzeit das Repertoire. Vor einer Woche erst vervollständigte er erstmals als Benvolio das Freundschaftstrio der Montagues mit übergreifendem Charme und geschmeidigem Bewegungs-Duktus; jetzt rückte er durch den Ausfall eines Kollegen gleich zum Mercutio auf und bestand diese durch große Interpretationen in der Vergangenheit belastete Prüfung mit einer verblüffend direkten, schnell erfassten Charakter-Zeichnung, ließ Heiterkeit und Tragik ohne Affekte zur Geltung kommen und steigerte sein technisches Potenzial den choreographischen Bedürfnissen entsprechend zu erhöhter Effizienz mit auffallend sauber vollführten und gleichmäßig in der fünften Position beendeten Landungen im Solo und Pas de trois. Der Romeo dürfte nicht lange auf sich warten lassen.
Louis Stiens mischte als Benvolio spielerisch auf Augenhöhe mit und stand den Freunden trotz einer nicht ganz so leichten und flüssigen klassischen Linie kaum nach.
Matteo Crockard-Villa wiederholte seinen bedrohliche Funken sprühenden und mit rhythmisch exakten wie spontan variierten Aufbäumungen vor dem Tod individuell angelegten Tybalt, David Moore war mit der im Schatten stehenden Rolle des vorbestimmten Bräutigams Graf Paris bei seinem Wiedereinstieg nach einer Verletzungspause ideal bedient, weil er noch nicht voll gefordert war, aber im Madrigal doch die Qualitäten eines Ersten Solisten durchscheinen lassen konnte.
Im Tode vereint: Miriam Kacerova (Julia) und Constantine Allen (Romeo). Copyright: Roman Novitzky
Schmissig und temperamentvoll warfen sich Katarzyna Kozielska, Elena Bushuyeva und Magdalena Dziegielewska in die wirbelnden Einsätze der drei Zigeunerinnen, Alexander Mc Gowan ist nicht nur ein Witz und gummiartige Dehnbarkeit demonstrierender Faschingsprinz, er wertet die sonst oft nicht weiter auffallende Partie durch lebhafte Beteiligung an den Duell-Szenen des zweiten Aktes auf. Etwas gar jung, aber durchweg solide behauptete sich Cédric Rupp als Herzog und Pater Lorenzo. Die weiteren Charakterpartien lagen in den Händen gereifter Darsteller, das Corps de ballet warf sich mit Lust und Schmackes in seine Aufgaben, um die bis in die kleinste Nuance reichende Genialität von Crankos aufs engste mit Prokofieffs perfekter Musik verknüpftem Werk zu zeigen. Vor allem in den Bläsern nicht immer intonationsrein, aber dicht am Drama und den unterschiedlichsten Stimmungen dran, sorgte das Staatsorchester Stuttgart unter James Tuggle für die akustische Komponente.
Udo Klebes