MÜNCHEN / MÜNCHNER PHILHARMONIKER unter VALERY GERGIEV –
PROKOFJEW – BRUCKNER – 31.03.16 – Gergievs geniale neue Sitzordnung
Der warme Klang der Münchner Philharmoniker ist legendär, war aber in der Post-Thielemann-Zeit beinahe verloren gegangen. Valery Gergiev hat ihn wiedererweckt. Und nun hatte er zusätzlich eine geniale Idee mit der Umsetzung einer neuen Orchester-Sitzordnung. Zwar hatte auch Lorin Maazel mal versucht, durch Umschichtungen einzelner Gruppen die Akustik positiv zu beeinflussen, was allerding wenig brachte. Nun hat Valery Gergiev eine wirklich geniale Lösung angeboten, genial, weil dieser Versuch eine ungeahnte, beeindruckende Wirkung erzielte. Und damit wurde der Klang der Philharmoniker noch um ein Vielfaches dunkler und samtiger getönt als ohnehin schon. Wie war das möglich.
Der Haupttreffer: Die Kontrabässe (9 Stück beim Bruckner!) stehen nun in voller Breite an der hinteren Mittelrückwand auf einer hohen Stufe, noch hinter dem Blech (wo sonst der Chor aufgebaut wird). Dadurch entsteht ein Klangerlebnis wie man es früher vielleicht bei der Erfindung des Subwoofers empfunden haben mochte. Ein wohliges Tiefenfundament, als säße das gesamte Orchester auf einem warmkuscheligen Bärenfell. Da sich unmittelbar hinter der Holzwand der Hohlraum der großen Orgelpfeifen befindet, könnte dieser Hohlraum zusätzlich als Klangkörper dienen. Durch das nach hinten oben verschobene Platzierungsschema wird vorne plötzlich ganz viel Platz für die Streicher, die nun das Podium in voller Breite ausnützen können. Zusätzlich wurden die Celli statt wie bisher hinter den 2. Geigen nun hinter den 1. platziert, was eine neue Klangbalance ermöglicht. Auch kann der Gesamtklang durch das durch die Abstufung nach hinten verschobene Gesamtensemble quasi „fertig gemischt“ besser in den unteren Sitzblöcken ankommen. Und bei all dieser klanglichen Wärme besteht auch eine ungeheure Transparenz. Valery Gergiev hat das akustische Ei des Kolumbus für die Gasteig-Philharmonie gefunden!
Nun sage bloß keiner mehr, die Akustik in der Philharmonie sei schlecht. Es liegt eindeutig am Klangkörper und seinem Leiter, aus den jeweiligen Gegebenheiten das Optimale herauszuholen. Gergiev sieht das, wie er bei einer Pressekonferenz sagte, als Aufgabe und Pflicht an, auch beim Bespielen fremder Säle auf Tourneen.
Unter diesen neuen Umständen wurde natürlich das gebotene Programm zu einem ganz besonderen Erlebnis. Sergej Prokofjews Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 , die allbekannte „Symphonie classique“, und noch mehr seine 7. in cis-Moll op. 131, seine letzte Symphonie, eine Symphonie für Kinder, wie Prokofjew äußerte, bezauberten mit all den neuen Klangwirkungen in jeder Phase.
Bei Anton Bruckners Symphonie Nr. 3 d-Moll WAB 103 hatte sich Gergiev für die dritte und letzte Fassung von 1888/89 entschieden. Es ist ja schon ein Kreuz mit Bruckners Umarbeitungswahn, sei er dem eigenen Antrieb entsprungen oder häufiger noch durch Zu- und Einreden von Freunden und Kollegen erfolgt. Seine Dritte (1872/73) hatte Bruckner Richard Wagner gewidmet und mit zahlreichen Zitaten des großen Komponisten-Kollegen versehen. Warum man diese Zitate schließlich eliminierte, wo sie bei der erfolgten Widmung ja keineswegs unlogisch waren, kann man nachlesen, verstehen muss man es nicht. Nur wenige Dirigenten haben sich später an die Originalfassung heran gemacht. Eliahu Inbal war nach dem Krieg einer der Ersten, Christian Thielemann hat sie einmal mit den Philharmonikern aufgeführt. – Ich fand es sehr schade, dass Gergiev, der Tradition folgend, die letzte Fassung gewählt hatte. Von der Wagner-Widmung merkt man hier kaum noch etwas. Und die besagte Widmung bestand ja schließlich in der Erstfassung. – Nun gab es eben die 3. Fassung und das neue Klangerlebnis (s.o.), wie könnte es anders sein, war natürlich gerade für Bruckner das Nonplusultra.
Fazit: Valery Gergiev ist ein Klang-Magier par excellence. Hoffentlich bleibt es nicht bei diesem gelungenen Test, sondern es wird eine Dauerlösung daraus, bei welchen Werken immer es möglich ist.
Doro Zweipfennig
Anm.: Für das BR-SO könnte sich ein ähnliches Vorgehen sicher auch gewinnbringend auswirken.