WIEN/ Staatsoper: „LA CLEMENZA DI TITO“ . Il trionfo di Sesto – am 1.4.2016
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Miriam Albano, Margarita Gritskova, Benjamin Bruns. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Nachdem im Theater an der Wien zur Zeit der Aufstieg Neros zum Kaiser in Händels „Agrippina“ gezeigt wird, kommt in der Staatsoper einer seiner Jugendfreunde und späterer Nachfolger auf die Bühne. In der ziemlich kurzen Amtszeit hat er sich einen wesentlich besseren Ruf erarbeitet als sein Jugendfreund und eignete sich daher weit besser als Held einer Oper für eine Krönung. In der vierten Serie dieser Produktion aus dem Jahr 2012 war eine komplett neue Besetzung am Werk. Diese rekrutierte sich diesmal komplett aus dem Ensemble und bot damit Gelegenheit, sich über die Qualität des Wiener Mozartensembles zu informieren. Entgegen vieler Unkenrufe steht es um dieses weit besser als ursprünglich befürchtet.
Die größte Hypothek hatte sicher Margarita Gritskova als Sesto zu tragen, zählten doch immerhin Garanca und Kozena zu ihren Vorgängerinnen in dieser Partie. Sie braucht sich aber vor diesen nicht zu verstecken, sondern kann auf Augenhöhe mit diesen Stars mithalten. Ihre bruchlos geführte Stimme überzeugt in allen Lagen und ist in den Koloraturen ebenso sicher wie in den breiten Legatobögen. Die Pirouette am Ende ihres Rondos im zweiten Akt, die es in der Premierenserie noch gab, ist ja mittlerweile der Sängerin erlassen worden. Optisch agiert sie glaubwürdig als junger Herr aus gutem Haus, der um der Ehre willen fast zum Mörder seines Freundes wird. Die Vitellia war Caroline Wenborne, die als einzige auch schon in der vorigen Direktionsära engagiert war. Sie meistert die enormen Anforderungen der Partie, die um einiges weiter in die Tiefe geht als der Sesto, vor allem in der Höhe ausgezeichnet. Bei den extremen Tiefen geht sie an ihre Grenzen ohne zu scheitern. Benjamin Bruns fügt mit dem Titus seinem Repertoire eine neue Partie hinzu. Mit leicht metallischem Klang, aber weiterhin geläufiger Gurgel gibt er dem zerrissenen Herrscher, der es jedem Recht machen will ein schönes Rollenprofil. Mit dem Annio hat Miriam Albano erstmals eine Partie, bei der sie nicht nut Teil einer Gruppe (wie in Manon und Rusalka) ist. Im ersten Akt hat der Annio kaum Möglichkeiten, sich zu profilieren, doch mit ihrer Arie Torna die Tito lato kann sie ihre Qualitäten zeigen. Wenn ihre Entwicklung so fortschreitet wie bei Hila Fahima, welche die Servilia war, so ist das wirklich vielversprechend. Diese nahm mit ihrem glockenhellen, leichten Sopran für sich ein. Der junge Schweizer Manuel Walser als Publio ist ein ähnlicher Fall. Von seinen Anfängen als Fiorillo vor zwei Jahren erarbeitet er sich Schritt um Schritt neue Partien, wobei der Publio relativ wenig Möglichkeiten bietet, musikalisch hervorzustechen. Unverändert bleibt die Putzkolonne der MA48, die zu Beginn des zweiten Aktes die Bühne von all dem säubert, was vorher unnötigerweise dort gelagert wurde. Sie ist wohl ein Tribut an die Forderung, die Handlung der Lebenswelt des Publikums näher zu bringen. Aber kann mir Herr Jürgen Flimm erklären, warum er dafür so viele gut gebaute Mädchen gecastet hat. Das hat – leider – mit der Wiener Realität nichts gemein.
Am Pult steht Adam Fischer. Beim ihm bleibt die Partitur demonstrativ geschlossen. Wozu soll er sie auch aufschlagen, wenn er das Werk im kleinen Finger hat und ihm das Orchester auch bereitwillig folgt. So entstand ein sehr zügig musizierter Abend, der sowohl in den imperialen Einsätzen des Bleches, als auch bei den gefühlvollen Begleitungen durch Mozarts geliebte Bassettklarinette großen Eindruck hinterließ. Der von Martin Schebesta einstudierte Chor hatte es nicht nötig, wie von der Regie suggeriert, aus Noten zu singen, sondern war voll auf der Höhe.
PS: Es ist keine gute Idee, die Saalbeleuchtung bereits 5 Minuten vor Vorstellungsbeginn abzudimmen. Der möglichen Energieersparnis steht ein wesentlich erhöhtes Risiko beim Abgang über die steilen Galerietreppen gegenüber und die knapp kommenden Gäste können die Sitznummern nur noch mit einer Taschenlampe entziffern.
Wolfgang Habermann