Pfarrsaal Alt-Simmering Carl Zeller DER OBERSTEIGER 15.4.2016
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Elisabeth Jahrmann, Ellen Halikiopoulos, Alice Waginger. Copyright: Matthias Katzengruber
Im Februar 2014 gründeten junge Absolventen des Lehrgangs „Klassische Operette“ des Konservatorium Wien das Ensemble „Oper@Tee“. Im Fokus stand dabei neben der Förderung junger, begabter Nachwuchskünstler, die Neubelebung von in Vergessenheit geratenen historischen Operetten- und Singspielerfolgen in kleinerem Rahmen. Zu diesem Zwecke wird stets eine “Kammerfassung“ des aufzuführenden Stückes erarbeitet, textliche wie musikalische Längen gestrichen und auf Chor und Orchester bewusst verzichtet. Beim „Obersteiger“ bedeutet das einen Verzicht auf die streikenden Bergwerksleute, Massenszenen, die den revolutionären Charakter dieser Operette darstellen würden. Die Premiere dieser Produktion fand am 1. Mai 2014 im Schloss St. Peter in der Au, im Carl Zeller Museum statt.
„Der Obersteiger“ war nach dem „Vogelhändler“ die zweiterfolgreichste Operette des niederösterreichischen Komponisten Carl (Adam Johann Nepomuk) Zeller (1842-98). Der studierte Jurist und Ministerialrat war Leiter des Kunstreferates im Unterrichtsministerium und komponierte sein Leben lang nur nebenberuflich aus Liebhaberei. Das Libretto verfassten Moritz West (1840-1904) und Ludwig Held (1837-1900) gemeinsam. Die Uraufführung fand am 5. Januar 1894 im Theater an der Wien statt. Die Titelpartie des Obersteigers Martin wurde vom berühmten österreichischen Gesangskomiker Alexander Girardi (1850-1918) interpretiert. Die Handlung der in der ersten Hälfe des 18. Jhd. in einem Bergstädtchen spielenden Operette wurde für diese Aufführung bewusst ins 19. Jhd. verlegt. Ähnlichkeiten mit dem Vorgängerstück „Der Vogelhändler“ kann diese typische „Nachfolge-Operette“ nicht verleugnen: volkstümliche Charaktere, der Szenenablauf und zahlreiche brillante musikalische Einfälle. Der Hauptschlager der Operette „Sei nicht bös“ wurde sogar von Fritz Wunderlich und Lucia Popp gesungen. Der von Franz Antel 1952 gedrehte Film „Der Obersteiger“ lehnte sich stark an den Inhalt der Operette an und bot für die damalige Zeit ein Starangebot an Mitwirkenden (Hans Holt, Gunter Philipp, Grete Weiser, Waltraut Haas…) auf.
Für die Aufführung hat Alice Waginger das Werk musikalisch bearbeitet und gleichzeitig die Rolle von Bergwerkdirektor Zwacks Gattin Elfriede übernommen. Die ausgebildete Koloratursoubrette mit der Stimmlage Sopran transponierte dafür die Rolle der Elfriede, die von Zeller für Alt komponiert wurde. Stimmlich wie darstellerisch lag ihr die Rolle der betrogenen Ehefrau und der kokett frivole Flirt mit dem im Bühnenleben doch weit jüngerem Obersteiger. Die textliche Bearbeitung und die schwungvolle Inszenierung lagen in den verdienstvollen Händen von Max Buchleitner zu verdanken. Die musikalische Leitung hatte die Pianistin Theresia-Lui Bai. Ellen Halikiopoulos beeindruckte als Comtesse Fichtenau mit ihrem strahlenden Sopran, der auf den weiteren Werdegang dieser Künstlerin neugierig macht. Elisabeth Jahrmann gefiel in der Rolle der etwas naiven, aber herzensguten Spitzenklöpplerin Nelly, wobei sich ihr tragfähiger Sopran bei den Spitzentönen für meinen Geschmack doch etwas zu schrill anhörte. Aber die Künstlerin hat ihre Ausbildung ja noch nicht abgeschlossen. Wir können also gespannt sein. Martin Hulan als Fürst Roderich, der sich als Voluntär Roderich ins Bergarbeitermilieu eingeschlichen hatte, verfügt über die noble Ausstrahlung eines Operettentenors, dessen Höhe sich aber fallweise auch etwas angestrengt ausnahm. Bei Michael Weiland als Bergwerksdirektor Zwack fiel mir sein wohlklingender Bariton sowie sein großes komisches Talent besonders auf. Carl Zeller hatte diese Rolle ursprünglich für Tenor geschrieben. Auch der zweite Bariton, Philipp Landgraf in der Doppelrolle des Wirtes Strobl und Zwacks Sekretär Dusel hatte gegenüber den Tenören einen besseren Stand an diesem Abend. In der Titelrolle des Obersteigers Martin stand mit Tenor Martin Rysanek ein Verwandter der beiden berühmten Sängerinnen Leonie und Lotte Rysanek auf der Bühne. Darstellerisch war er ein idealer Komiker, in gesanglicher Hinsicht ist seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen und so machten sich bei einer guten Mittellage doch einige gestemmte Spitzentöne bemerkbar. Dennoch war es in Summe ein erfreulicher Abend bei ausgewogenen gesanglichen Leistungen aller Mitwirkenden.
Freundlicher Applaus bedankte alle Mitwirkenden. Die Produktion wird noch am 16. April im KUMST in Strasshof in Niederösterreich gezeigt.
Harald Lacina