Dresden / Semperoper: 9. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT YEFIM BONFMANN – LEIDER OHNE CHRISTIAN THIELEMANN – 17. 4. 2016
Es war alles so schön gedacht. Yefim Bronfmann, der Capell-Virtuos, sollte und wollte mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann Ludwig van Beethovens „Klavierkonzerte Nr. 1, 2, 4 und 5“ sowie das „Tripelkonzert“ mit Freunden im 9. Symphoniekonzert und einem Sonderkonzert aufführen und damit seine Auseinandersetzung mit Konzerten Ludwig van Beethovens fortsetzen. Mit dem „3. Klavierkonzert“ hatte er sich schon zu Beginn der aktuellen Spielzeit dem Dresdner Publikum als neuer Capell-Virtuos vorgestellt.
Durch Thielemanns Krankheit ergaben sich nun einige Änderungen. An seiner Stelle teilten sich David Robertson und Manfred Honeck die musikalische Leitung der beiden Konzerte. Beide hatten schon in der Vergangenheit mehrfach mit der Staatskapelle musiziert. David Robertson, der zuletzt in der Spielzeit 2013/2014 mit Werken von Wolfgang Rihm, Sergej Rachmaninow und Sergej Prokofjew Gast bei der Kapelle war, leitete das 9. Symphoniekonzert.
Es war nicht unbedingt ein sensationelles Konzert, aber ein sehr angenehm anzuhörendes, das den zahlreichen treuen Staatskapellen-Besuchern einen angenehmen Hör- und Erlebnis-Genuss bescherte. Der freundliche, sympathische, eher bescheiden auftretende und ungemein sportlich erscheinende Dirigent, der in Amerika sehr bekannt ist, hat ein gutes Verhältnis zur Musik Ludwig von Beethovens. Er begann dessen „Klavierkonzert Nr. 2 B‑Dur“ (op. 19) mit dem Orchester nicht zu schnell, nicht zu laut, wie es jetzt oft üblich ist, sondern so, wie man Beethoven kennt und mag. Er unterstützte den Solisten Yefim Bronfmann mit seinem feinsinnigen perlenden und sehr klangvollen Anschlag und intensivem Werkverständnis in gleicher feinsinniger Weise und ließ ihm volle Entfaltungsmöglichkeit.
Mit lyrisch zarten Klängen bedankte sich Bronfmann danach in einer kleinen Zugabe beim Publikum.
Warum allerdings dieses sehr anspruchsvolle, wenn auch sehr bekannte und oft gehörte Werk gleich zu Beginn erscheinen musste, wo doch Solistenkonzerte nach guter, alter und sehr zweckmäßiger Tradition in den Mitteteil gehören, war unverständlich und erwies sich auch in der Wirkung als nicht sehr zweckmäßig. Gute Traditionen muss man nicht umstoßen. Bei Thielemann wäre das nicht passiert. Obwohl das Konzert als Matinee stattfand, waren Solist und Orchester aber professionell genug, auch diese äußeren Umstände zu meistern.
Obwohl die unter Verwendung von Skizzen zum „Tristan“ von Richard Wagner 2014 geschriebene, nicht sehr umfangreiche „Elegie“, Erinnerung für Orchester von Peter Ruzicka (*1948) durchaus ein interessantes Werk darstellt, erschien sie doch, selbst als Uraufführung im Haupt- und Mittelteil des Konzertes zwischen zwei großen Werken von Beethoven „sehr zierlich“ und hätte fast „erdrückt“ werden können. Es war kein wirkliches Pendant zu Beethoven, der, so oft er auch aufgeführt wird, besonders in solcher Qualität wie mit Yefim Bronfmann und der Kapelle, immer wieder die Größe dieses Komponisten spüren lässt, ein Titan der Musik, der nicht so leicht zu toppen ist.
Wagners späte Klavierskizze, die der Meister am Vorabend seines Todes in Venedig Freunden vorspielte, beschäftigte Ruzicka schon seit langer Zeit. Sie „erscheint wie eine musikalische Selbstbeobachtung, die wie von Ferne auf den ‘Tristan‘ und die Geschehnisse seiner Entstehung verweist“, wie er bekannte. Ihre Offenheit und Unbestimmtheit veranlassten ihn zu einem „Fortdenken, zu einer sehr persönlichen musikalischen Annäherung und Entfernung“. Er wählte dafür das klangliche Potential eines Streichorchesters mit drei Flöten und Schlagzeug als „Schattenklänge“.
In seiner „Elegie“ verbindet Ruzicka die gefundene mit der (von ihm) erfundenen Musik und lässt manche gegenwärtige Passage mit einem kurzen Wagner-Zitat aus dem Fragment ausklingen. Es gibt manch interessante Wendung, bei der in Ruzickas Personalstil immer wieder einmal etwas „Wagner“ durchschimmert. Robertson, der sich bisher auch sehr der zeitgenössischen Musik zugewandt hat, widmete sich auch dieser „Elegie“ mit Einfühlungsvermögen.
Statt des ursprünglich vorgesehenen „Klavierkonzertes Nr. 5“ von Beethoven, das anstelle des „4. Klavierkonzertes“ von Beethoven im Sonderkonzert erklingen wird, wurde dessen „Symphonie Nr. 4 B‑Dur“ (op. 60) aufgeführt. Es war eine gute, solide Wiedergabe, nicht vordergründig, aber mit viel Liebe und Verstehen für den großen Meister, die auch ein gedankliches Ausloten in der „Tiefe“ zuließ und auch schon einen Hauch in Richtung späterer musikalischer Romantik erahnen ließ.
Robertson konnte aber auch forsch und schnittig sein und führte das Orchester zu lautstärke-intensiveren und kraftvollen „Ausbrüchen“ (in Richtung „a la Toscanini“), aber da, wo es angebracht ist und nicht vordergründig. Musik lebt von Kontrasten, die aber hier glücklicherweise nicht zum Selbstzweck wurden. Das Orchester unterstützte ihn, so dass es eine sehr angenehme Interpretation zum Genießen für Musikliebhaber wurde. Der Dirigent bedankte sich schließlich beim Paukisten und fast der ganzen letzten Bläserreihe persönlich und blieb sehr bescheiden im Hintergrund, um dem Orchester zu danken.
Ingrid Gerk