WIENER STAATSOPER: „DON PASQUALE“ – Italienische Lebensfreude pur!- Vorstellung am 18.4.2016
Wer jemals einen vergnüglicheren, spritzigeren, dynamischeren „Don Pasquale“ gehört hat, der möge sich melden!
Valentina Nafornita, Juan Diego Florez. Copyright: Barbara Zeininger
Zum hinreißenden Sängerquartett, das sich aus 3 Premierensängern und einem adäquaten Rollendebutanten als Malatesta zusammensetzte, kam auf der optischen Basis von Irina Brooks gediegener Inszenierung ein neuer Dirigent, dessen Donizetti-Kompetenz wohl unübertrefflich ist. Von Turin, wo Evelino Pidò herstammt, ist es bekanntlich nicht so weit nach Bergamo, dem Geburtsort des Komponisten…Hatte vor einem Jahr der respektable Spanier Lopez-Cobos für einen flotten und korrekten Ablauf des Geschehens gesorgt, so erlebten wir jetzt – mit einem multinationlen Ensemble (aus Italien, Peru, Moldavien und Tschechien)! – eine vor italienischer Lebensfreude geradezu sprühende musikalische Wiedergabe, die perfekt zur hier gezeigten Bühnenhandlung passte. Was von Premierenbesuchern als „slapstick“ und – wenn auch gut gemachter – Klamauk eingestuft wurde, entpuppte sich nun als brillante, spannungsgeladene Komödie. Bühne und Musik verschmolzen zu einer derartigen Einheit, dass wohl die Mehrheit der Montag-Besucher gar nicht mitbekommen hat, in welchem Ausmaß der Maestro dazu beigetragen hat. Es gab nämlich nicht einmal Bravo-Rufe für Pidò, was damit zusammenhängen mag, dass generell bei Wagner- oder Strauss weit mehr auf den Dirigenten geachtet wird als in der italienischen Oper, wohl nach dem Motto „Prima il spettacolo, dopo la musica!“ Das manifestiert sich ja beinah allabendlich auch durch Hineinklatschen in die letzten Takte bei Fallen des Vorhangs.
Schon der fulminante Beginn der Ouvertüre überrumpelte einen: Jeder Zuhörer musste da kapieren, dass es sich um eine verrückte Geschichte handeln würde. Dann der gekonnte retardierte Übergang zur von den Celli getragenen Melodie von Ernestos „Com’è gentil“ und immer wieder die Hingabe an Donizettis berückende Melismen. Was die Musik an rhythmischer Prägnanz sowie an Scherzhaftem, an Witz, Ironie, aber auch an Herz und Seele beinhaltet, wurde hörbar. Die Ensembles blitzten nur so vor Präzision, aber die war nie Selbstzweck. Prestissimi bekundeten puren Übermut. Und es blieb stets die Lockerheit der „Buffa“ gewahrt. Das kulminierte einerseits im Dienerchor mit seinem übertriebenen Aktionismus, der Norinas Anforderungen an ihren Ehgemahl ad absurdum führte, vom Staatsopernchor vokal und physisch virtuos dargebracht; dann im Duett Pasquale-Malatesta, das die Regisseurin den beiden (um die Umbaupause zu überbrücken) vor dem Vorhang zu Ende singen und spielen lässt, beide in einem Scheinwerferkegel, vermeintlich miteinander, in Wirklichkeit gegeneinander bzw. aneinander vorbei schnatternd; und am allerköstlichsten in Ernestos Ständchen, wo sich Juan Diego Flórez, konform mit dem Orchester und dank seiner körperlichen Wendigkeit neben den traditionellen Liebesgesten (Hand aufs Herz schlagend, aufs Knie sinkend, schmachtender Blick nach oben) dreimal in die Atempausen hinein skurrile Drehungen um die eigene Achse mit der roten Federblume in der Hand einlegte und das Publikum damit zu Lachsalven animierte.
Michele Pertusi mit seinem balsamisch strömenden Nobelbass und Parlando-Geschick, seinen gymnastisch-tänzerischen Fähigkeiten und einer unaufdringlichen vis comica, gestaltete den „komischen Alten“ in den besten Mannesjahren als „buon uomo in fondo“, wie von Donizetti im Personenverzeichnis charakterisiert, ungemein sympathisch. Mit seinem raumfüllenden, farbenreichen Bassbariton und dem bereits mehrfach bewiesenen komödiantischen Talent war Adam Plachetka der lachende Dritte im Männerbunde, an dessen Spitze natürlich „il tenore“ die heftigsten Publikumsreaktionen auslöste. Der vom Oheim verstoßene Neffe, dem der Trompeter Gerhard Berndl so rührend auf der Bühne Beistand leistet, und dann der begnadete Komiker im finalen Liebes-Intrigen-Spiel – Flórez hat Rolle und Publikum voll im Griff. Nahezu perfekt auch schon die Norina von Valentina Nafornita, die kunstgerecht bis zum Äußersten ihren anspruchsvollen Gesangspart abliefert, sei es im pointierten Parlando mit größter Textdeutlichkeit, mit verstellter Stimme zwecks Täuschung des ungeliebten Möchtegern-Gatten, oder indem sie zeigt, welch beträchtliches Volumen ihr aparter Sopran inzwischen entwickelt hat. Ihr Aussehen zu preisen, hieße Eulen nach Athen tragen. Sie weiß es genüsslich für ihre Rollengestaltung zu nützen. Wolfram Igor Derntl fügte dem Solistenangebot seinen köstlichen tenoralen Notar hinzu. Und die diversen Statisten erbrachten ebenfalls perfekte Leistungen. – Alles in allem eine künstlerisch hochwertige „notte a mezzo april“ !
Selbst im Parkett blieben die Leute nach Schluss noch lange sitzen, um sich bei allen Künstlern für den herzerfrischenden Buffo-Genuss zu bedanken. So perfekt und geschlossen ist das in diesem Genre seit dem Premieren-Team Dvorsky-Cotrubas-Weikl-Taddei im Otto Schenk’schen Donizetti-„Elisir“ nicht mehr gelungen.
Sieglinde Pfabigan