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DARMSTADT: ANGST – Chor-Oper von Christian Jost

Chor-Oper in Darmstadt: „Angst“ von Christian Jost (Vorstellung: 29. 4. 2016)

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In der Pforte II rezitierte der Chor Hölderlins Gedicht „An die Parzen“ (Foto: Thomas Müller)

Am Staatstheater Darmstadt kam eine sehenswerte Chor-Oper des deutschen Komponisten Christian Jost zur Aufführung: „Angst“. Die Oper ist die musikdramatische Reflexion über ein Hauptthema menschlicher Existenz und zeichnet einen Erlebnisbericht des Extrembergsteigers Joe Simpson nach, der 1985 in den Anden beim Abseilen über eine vereiste Kante abstürzte und mit gebrochenem Bein inmitten eines Hohlraums hängen blieb. Da er unfähig war, sein Gewicht vom Seil zu nehmen, zog er seinen Partner stetig zu sich in die Tiefe. Nach mehr als einer Stunde blieb diesem keine Wahl: Um selbst zu überleben, musste er das Seil durchschneiden. Der schwer verletzte Simpson überlebte dennoch und konnte gerettet werden. Seine Erlebnisse schilderte er später in seinem Buch Sturz ins Leere, das ein Bestseller wurde.

Die im Jahr 2006 in Berlin uraufgeführte Oper ohne Protagonisten zeichnet in fünf Abschnitten durch den Chor die inneren Monologe der beiden Bergsteiger nach, wobei der Komponist die gesamte Bandbreite der dramatischen und musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten eines Opernchors zwischen Singen und Sprechen auslotete.

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Stimmungsvoll die Pforte III zum Thema „Kalt“ (Foto: Thomas Müller)

Der Komponist Christian Jost (1963 in Trier geboren) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Komponisten der Gegenwart. Der Durchbruch gelang ihm 1992 mit dem Orchesterwerk Magma, es folgten das Violinkonzert Tiefer Rausch sowie weitere Orchesterwerke und mehrere Opern, darunter der Einakter Death Knocks, dessen Aufführungen in Heidelberg 2014 und in Gießen 2015 von mir rezensiert und vom Online-Merker veröffentlicht wurden.

Die Chor-Oper Angst (Texte von Friedrich Hölderlin und Christian Jost) trägt den Untertitel Fünf Pforten in das Innere der Angst: I „Fallen“ (die Reflexion des Abstürzenden), II „Hölderlin“ (die literarische Verarbeitung durch Hölderlins „An die Parzen“), III „Kalt“ (Angst als Kindheitstrauma), IV „Amok“ (wissenschaftliche Erklärungen von Kriegstraumata) und V „Ab“ (der Sturz in die Tiefe).

Die stimmungsvolle Inszenierung von Karsten Wiegand bietet dem Publikum eindrucksvolle Videobilder (Gestaltung: Bahadir Hamdemir) und eine ungewöhnliche Bühnengestaltung (Bärbl Hohmann), die es ermöglichte, den 42-köpfigen Chor, der in weißen Overalls mit Kapuzen gewandet war, zeitweise im Zuschauerraum agieren zu lassen (Kostüme: Andrea Fisser).

Die Damen und Herren des Opernchors des Staatstheaters Darmstadt (Einstudierung: Thomas Eitler-de Lint und Ines Kaun) boten in diesem einstündigen Werk eine großartige Leistung. Sie sangen nicht nur, sondern säuselten und flüsterten auch und verströmten in ihren Kostümen in Verbindung mit den Videosequenzen eine Atmosphäre der Bergwelt. Hervorzuheben ist die Altistin Anja Bildstein, deren Solo von besonderer stimmlicher Ausdrucksstärke war.

Das Staatsorchester Darmstadt gab unter der Leitung von Thomas Eitler-de Lint die illustrative Partitur des Komponisten, die in der „Schluss-Pforte“ dramatische Formen  erklomm, klangvoll zum Besten. Das Publikum zollte allen Mitwirkenden reichlich Beifall, vereinzelte Bravo-Rufe gab es für das Orchester und seinen Dirigenten sowie für den Chor, Brava-Rufe für die Altistin Anja Bildstein.

Udo Pacolt

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