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WIEN / Staatsballett in der Staatsoper: DON QUIXOTE — die zweite

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Staatsballett in der Staatsoper
Ludwig Minkus: »DON QUIXOTE« 
28. Mai 2016
29. Aufführung in dieser Einstudierung

'Don Quixote': Maria Yakovleva (Kitri) und Denys Cherevychko (Basil) in der Schlußpose 'poisson' nach dem pas de deux im ersten Akt © Wiener Staatsballett/Michael Pöhn

»Don Quixote«: Maria Yakovleva (Kitri) und Denys Cherevychko (Basil) in der Schlußpose »poisson« nach dem pas de deux im ersten Akt
© Wiener Staatsballett/Michael Pöhn

Welch ein Unterschied es doch ist, wenn sich im Graben Mikrophone befinden und diverse Kameras im Haus verteilt sind! Gleich spielte das Staatsopernorchester unter Kevin Rhodes mit Rainer Küchl und Josef Hell am ersten Pult um Klassen besser als noch vor zwei Tagen.

Auch die Spannung im Haus war eine ganz andere. Fast wehte ein Hauch von Premierenfieber durch den Zuschauerraum: Denn nun heißt es, zwei hervorragende Vorstellungen (die zweite ist am 31. Mai) zu tanzen und zu spielen, damit ein Filmdokument entstehen kann, daß der ORF dankenswerterweise aufzeichnet. 

Zu diesem Anlaß hat Manuel Legris eine Besetzung zusammengestellt, die schon in Papierform das Beste versprach — und es auch gehalten hat.

Bereits der Prolog nahm mit Christoph Wenzel als Sancho Pansa eine ganz andere Fahrt auf als zu Serienbeginn: Die Rolle des Sancho so exquisit zu gestalten, so köstlich zu spielen und immer wieder aufs Neue das Publikum für sich einzunehmen — das macht ihm so schnell niemand nach. Er war seinem Herrn Don Quixote, Kamil Pavelka, ein würdiger Diener und Begleiter.

Kitri und Basil, da denkt man in Wien schon automatisch an Maria Yakovleva und Denys Cherevychko. Mehr als die Hälfte der Aufführungen tanzten sie im Haus am Ring, dazu die Gastspielvorstellungen in Paris. Da nimmt es nicht wunder, daß sich hier ein Paar einfand, welches fest verwurzelt in dem Stück ist. Beide zeigten uns gestern, auf welch hervorragendem Niveau sie derzeit tanzen. Da stimmten die Gesten, da waren die Bewegungen bis ins kleinste aufeinander abgestimmt. Da war so viel Freude am Tanz und an der Gestaltung zu spüren. Von Beginn an bildeten die beiden einfach ein Paar. Daß einmal eine Hebung nicht so funktioniert wie alle sich das wünschen, kann passieren, tat aber dem Gesamteindruck keinerlei Abbruch. (Und für die Aufnahme gibt es ja noch die zweite Runde.)

Espada und seine Straßentänzerin, Roman Lazik und Ketevan Papaya, belebten die Bühne mit viel Eleganz, Verve und Lebenslust. In dieser Vorstellung war die Anziehungskraft der Straßentänzerin deutlich nachzuvollziehen. Die Partie verlangt nach Sprühen, nach Energie. Es ist Luxus, auch diese Partien mit Ersten Solisten zu besetzen.

Ausgezeichnet auch die Freundinnen Kitris, Alice Firenze und Nina Tonoli: Die beiden harmonieren wunderbar, tanzen sehr exakt und unaufgeregt, die Bewegungen wirken selbstverständlich.

Gamache und Lorenzo waren bei Andrey Kaydanovskiy und Gabor Oberegger in besten Händen. Hier gab es so viele Kleinigkeiten zu beobachten, daß man darüber fast das Solopaar vergessen konnte — was bei dieser Besetzung selbstverständlich nicht möglich war.

Mit enormer Bühnenpräsenz punktete auch wieder der Zigeuner des Mihail Sosnovschi. Mit Temperament fegte der Solist durch das Zigeunerlager.

Der Traum des Don Quixote brachte einen weiteren Höhepunkt des Abends: das Erscheinen der Königin der Dryaden, Olga Esina. Ätherisch, wunderschön wie immer und so in sich ruhend, schenkte sie dem Ritter ihr Solo. Sie verkörperte das, wovon alle Ballerinen träumen und was nur einigen wenigen vergönnt ist: Sie läßt den Zuschauer vergessen, welch harte Arbeit diesen Zauber erst möglich macht.

Dazu tanzten Maria Yakovleva eine ausgezeichnete Dulcinea und Kiyoka Hashimoto einen kecken Amor. Man möchte nicht, daß der Traum ein Ende findet…

Rustikaler ging es dann in der Schenke zu. Hier konnte Denys Cherevychko noch einmal sein komödiantisches Talent beweisen. Daß ihm die Rolle des Basil so gut paßt, dürfte daran liegen, daß er über einen ähnlichen Humor verfügt wie der Choreograph. Dann noch der skurrile Zweikampf  zwischen Don Quixote und Gamache, an dem sich Sancho Pansa am gestrigen Abend am liebsten beteiligt hätte — ein Gustostückerl.

Natascha Mair war die Erste Brautjungfer im letzten Akt. Man merkte ihr noch sehr den jugendlichen Überschwang an, der dann auch mal mit einem unsauberen Abschluß des Solos enden kann. Die Zeit wird es richten, da fehlt es noch an Bühnenerfahrung, um mit solch zusätzlichen »Belastungen« wie Kameras umzugehen.

Im großen pas de deux setzte das Solistenpaar dann nochmals persönliche Akzente, die nicht so schnell vergessen sein werden: Da waren die Sprünge noch ewas höher als sonst, da wurde die Balance noch etwas länger gehalten, da wurden die petits battements noch genauer geschlagen, die Touren noch exakter gedreht. Das Spiel mit dem Fächer, die Haltung des Kopfes, das Miteinander mit dem Partner, gekrönt von tours de soleil und den fouettés en tournant. Da wurde ein Feuerwerk an Können abgebrannt!

Mit wieviel Ruhe und Balance Denys Cherevychko zu Beginn seines Solos aus der fünften Position demi pointe in die Arabesque geht, das macht ihm so schnell niemand nach. Welche Variationen an port de bras Maria Yakovleva bei ihren Touren einsetzt, in die Taille gestützt und dann en haut, da wird mit eigener Note getanzt. Am gestrigen Abend hat sie wieder einmal bewiesen, warum sie eine Erste Solistin ist. Man wünschte sich, sie würde das immer zeigen, auch ohne Kameras.

Zum großen Erfolg des Abends trug in hohem Maße auch das Corps de ballet bei. Wirkte der vergangene Donnerstag noch wie ein Probelauf, so ist in den letzten Stunden vor der Vorstellung ein Wunder geschehen. Die Damen und Herren präsentierten sich in sehr guter Form. Die Bühne wurde mit Leben gefüllt, miteinander agiert und sehr exakt getanzt. Egal ob die Straßenszenen oder die Dryaden im Traum: Alles zeugte von harter Arbeit, denn Rudolf Nurejews Choreographie verlangt nicht nur von den Solisten sehr viel, auch das Corps de ballet wird gefordert. Und diese Forderung wurde erfüllt.

Gut, daß man sich nun endlich entschieden hat, dieses Meisterwerk mit dem Wiener Staatsballett auf Zelluloid zu bannen. Die Compagnie ist längst an der Weltspitze des Tanzes angekommen, das darf ruhig einmal so gesagt werden. Und es wird den Gästen der letzten Vorstellung nicht leicht gemacht, den gestrigen Abend zu überbieten. Es wird sicherlich ausgezeichnet werden, aber eben ganz anders, als wir es mittlerweile gewohnt sind. Man darf sehr gespannt sein.

Ulrike Klein
MerkerOnline
29. Mai 2016

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