Quantcast
Channel: KRITIKEN – Online Merker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208

Wien / Oper live am Platz: DER ROSENKAVALIER 1. Akt

$
0
0

Rosenkavalier Publikum am Boden~2

Wien / Oper live am Platz: 
DER ROSENKAVALIER  1. Akt
3.
Juni 2016

Das kann und soll keine Kritik sein, höchstens ein Situationsbericht, der mit Dank beginnt, den man allerdings (wer hätte das gedacht?) auch noch an Ioan Holender zurückschicken muss: Er hat die „Oper live am Platz“ erfunden, und ich denke, es kann doch für Touristen nichts Schöneres geben, als abendlich durch Wien zu schlendern, bei der Staatsoper vorbeizukommen – und dort läuft auf einer Leinwand gerade jener „Rosenkavalier“, den man im Haus sehen kann… Obwohl, sagen wir es ehrlich, nur ein Teil der Menschen, die da vorübergeht, überhaupt den Kopf hebt. Wir Opernfreunde nehmen uns wahrscheinlich – wie Anton Cupak mir immer wieder predigt – viel zu wichtig.

Wir Opernfreunde sind aber, hier auch Dominique Meyer Dank, der die „Oper live am Platz“ brav durchzieht (ist sicher ein Aufwand, vor allem für eine Aufführung wie diese, die dann nicht wenigstens als „Stream“ verwertet wird), froh darüber, auch schnell mal vorbeikommen und in den aktuellen Abend „hineinschauen“ zu können. Das erspart einiges, nämlich Anstellen und Raufen um den Stehplatz, was man sich wahrscheinlich nicht antäte.

Und es ermöglicht auch einiges – wenn nämlich die Festwochen-Produktion von Marthalers „Isoldes Abendbrot“ im MuseumsQuartier erst um 20,30 Uhr beginnt, der „Rosenkavalier“ in der Staatsoper aber um 18,30 Uhr, bekommt man locker den ersten Akt mit (bekanntlich eineinviertel Stunden) und kann dann ohne Eile zum MQu hinüberschlendern…

Als ich von zuhause wegfuhr (Straßenbahn, wie auch anders, ewiger Fluch aller Theaterbesucher über die Grünen für ihre Kurzparkzonen bis in die Nacht hinein), regnete es, ich machte mir um einen Platz vor der Leinwand, „am Platz“, keine Sorgen. Denkste! Als ich hinkam, es tröpfelte kaum mehr, war jeder Sitzplatz besetzt! Was mich eigentlich sehr freute, und ich drückte mich ohne Murren ins Gebüsch hinten, das doch einigermaßen vom Kärntnerstraßenlärm abschottet. Außerdem fluktuiert es bei den Sitzplätzen, nach einer halben Stunde hatte auch ich es dann bequemer.

Rosenkavalier maschallin x~1

Warum ein erster Akt „Rosenkavalier“? (Bei aller Liebe zu dieser Oper, ich kenne sie gut genug.) Nun – Dorothea Röschmann. Ich hatte meine Verzögerung, sie zu entdecken, weder die Elvira in Salzburg noch die Gräfin in Salzburg und Wien haben mich je vom Sessel gerissen. Aber dann kam ihre Wiener Jenufa – eine so blühende Stimme, eine so wunderbar ergreifende Leistung. Mehr, viel mehr als nur alltäglich. Wir Wiener haben es ja mit den Interpreten, und ich stehe dazu. Ich brauche nicht 50 mal die Tosca zu sehen, bei aller Vorliebe für Herrn Puccini – aber wie 50 verschiedene Damen die Rolle anlegen, das fasziniert mich. Und vielen anderen Opernfreunden geht es genau so.

Dorothea Röschmann nun als Marschallin – sie war, was ich mir erhofft habe. Um zu vergleichen (auch dazu stehe ich, ohne Vergleiche gibt es nirgends, bei nichts auf der Welt die Möglichkeit eines Urteils) – ich habe grandiose Damen als Marschallin gesehen, die, von der Schwarzkopf bis zur Denoke, gekünstelt waren bis in die Fingerspitzen, wo man genau sah, wie sie sich jede Kopfbewegung, jede Miene überlegt und souverän präsentiert haben. Die Röschmann ist, abgesehen von einer Stimme, die ihr die Rolle leicht macht (und sie kann und kennt sie mit allen Schwierigkeiten), von einer herrlichen Natürlichkeit. Als ob sie (im Original so deutsch, wie man will) wirklich ein spätes Wiener Mädel wäre, leicht mollert, wie man noch sagt, ein durch und durch liebes Geschöpf, das am Ende von einer Welle düsterster Depression weggeschwemmt wird. Sie macht nie „Theater“, sie übertreibt nicht, sie spekuliert nicht – vom Herzen, möge es zum Herzen gehen, um Beethoven auf Wienerisch zu verschmieren, das war’s. Das Publikum am Platz klatschte auch, und ich glaube, was man auf der Leinwand sah – das war ein stürmischer, echter Beifall, der ihr da nach dem ersten Akt entgegenflog.

Daniela Sindram, die mich als Hänsel (auch als „zu alt“ wirkend) so gar nicht überzeugt hat, war als Octavian viel besser – wenn auch am allerbesten nicht als der Junge, der begeistert aus dem Bett schlüpft, und nicht als Mariandl, sondern bei seiner Wiederkehr als der junge Mann in Uniform, der sehr nobel und wohl erzogen sich so gar nicht zu helfen weiß, wenn die Geliebte in düsteren Prognosen schwelgt: Da war echter Kummer und Verwirrung, sehr, sehr schön gespielt, auch gut gesungen. Ich frage mich nur, wie Daniela Sindram sich dann in den stürmischen Liebhaber bei Sophie verwandeln will, denn den konnte ich noch nicht andeutungsweise in ihr sehen. Aber was weiß man schon nach einem Akt „Rosenkavalier“ (wo man dann auch, und das tut mir leid, den Faninal-Debutanten Morten Frank Larsen versäumt).

rosenkavalier Ochs x~1

Wohl dem, der einen Einspringer wie Kurt Rydl hat. Der „ist“ natürlich der Ochs bis in seine wienerischen Fingerspitzen, nicht Schurke, sondern Schlitzohr, ein Poltergeist, bei dem alle schlechten Eigenschaften liebenswürdig ausgehen. Es hat doch etwas damit zu tun, was man als Mensch selbst mitbringt – er war wirklich ein achtbarer Tewje in der Volksoper (wenn er auch mit Gott nicht so überzeugend gehandelt und geschachert hat wie seine jüdischen Kollegen), aber das hat er so gut gemacht, wie es ein souveräner Künstler eben kann, wenn es ihm nicht in die Wiege gelegt wurde. Der Ochs – das ist er. Ein Vergnügen.

Ist Jinxu Xiahou unser „Haus-Chinese“? Im neuen „Prolog“ (der übrigens mit dieser neuen Juni-Nummer seinen „200“er feiert – auch das war eine Erfindung von Ioan Holender) ist  von seiner „Gier nach Rollen“ die Rede. Na, wie man weiß, erfüllt der Direktor ja Nachwuchswünsche mehr, als es ein auf Namen versessenes Wiener Publikum goutiert – Ende Juni darf er Florez den Ernesto in „Don Pasquale“ nachsingen, im November wird er neben Anita Hartig der Rudolf in „La Boheme“ sein. Kurz, Jinxu Xiahou hat was vor. Dass er mit Stimme und Technik mit dem Italienischen Sänger keinesfalls überfordert ist, ließ er an diesem Abend durchaus hören. Den Namen wird man sich wahrscheinlich doch merken müssen, so zungenbrecherisch er sein mag.

Und weil die Großaufnahmen manchen Sängern gut tun, will ich noch erwähnen, wie possierlich Marcus Pelz als Notar unter der Brüllerei von Rydl / Ochs regelrecht „eingegangen“ ist…

So schwebt man nach einem ersten Akt „Rosenkavalier“ zu Marthaler. Musiktheater der anderen Art. In der Fülle und Vielfalt des Gebotenen liegt der Reiz.

Renate Wagner

Rosenkavalier mit Hund x~1

Diese Seite drucken


Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>