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WIEN / Staatsoper: DER ROSENKAVALIER

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Wiener Staatsoper
Richard Strauss: »DER ROSENKAVALIER«
3. Juni 2016
370. Aufführung in einer Inszenierung von Otto Schenk

'Der Rosenkavalier', 1. Akt: Daniela Sindram bei ihrer dritten Vorstellung in der Partie des Octavian an der Staatsoper © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

»Der Rosenkavalier«, 1. Akt: Daniela Sindram bei ihrer dritten Vorstellung in der Partie des Octavian an der Staatsoper
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

I.
Eh bien: An der Staatsoper gab man wieder einmal den Rosenkavalier. Mit zwei Wiener Rollen-Debutanten und einem erfahrenen Einspringer. Es wurde ein vergnüglicher, kurzweiliger Opernabend. Dies der erste Befund.

II.
Manche Dinge ändern sich nie: Dazu gehört die Überraschung des Staatsopernorchesters ob der von Maestro Adam Fischer vorgegebenen Tempi in den Vorspielen. Ein sehr stürmisches Liebesspiel im Schlafzimmer der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg war die Folge, mit einigen Wacklern in den Holz- und Blechbläsern. Glaubte man den Hörnern, wurde man musikalisch Zeuge einer anstrengenden Nacht. Und wenn wir schon beim Staatsopernorchester sind: Da wurde am Solo-Cello sehr kräftig gestrichen: Für etwas mehr Delicatesse bei der Illustration des Hofmannsthal’schen Rokoko-Wien wäre da zweifellos Raum gewesen.

III.
Dorothea Röschmann gab zum ersten Mal in Wien die Marie-Theres’. Ihre Interpretation der Jenufa Anfang April berechtigte zu den schönsten Hoffnungen: Allein, gestern blieben für den Kenner (und immer das Beste fordernden Opernfreund) Wünsche offen: Röschmanns Stimme sprach in der oberen Mittellage am besten an, in der Tiefe wie in der Höhe vermißte ich den stimmlichen Adel, der die großen Marschallinnen nicht nur unserer Tage auszeichnet. Das silbrig Glänzende, die Wehmut im Finale des ersten Aufzugs: All das hätte mehr Größe vertragen. Stimmlich — und überhaupt.

IV.
Röschmanns Liebhaber wurde von Daniela Sindram dargestellt: zum dritten Mal erst in Wien, nach je einer Vorstellung 2006 und 2008 — ein halbes Rollen-Debut also.

Was mußte man da vor einem Jahr im MerkerOnline-Forum nicht alles lesen über diese Sängerin! Gestern aber verblaßten jene Einwände angesichts Sindrams Leistung: Wunderschön, wie sie schon die ersten Phrasen modellierte, Octavian ein männliches Gepräge zu geben vermochte (ganz im Gegensatz zu Stephanie Houtzeel letzten Dezember). Ernsthaft im Liebeswerben um Sophie. Kongenial im Zusammenspiel mit dem Baron Ochs auf Lerchenau im Extrazimmer des Gasthauses, als sie dessen Frage »Macht Sie der Wein leicht immer so?« mit einem herzhaften, extemporierten »Ja!« beantwortete.

V.
Chen Reiss verkörperte in bewährter Manier das Töchterl Sophie des Herrn von Faninal. Morten Frank Larsen lieh dem »Bagatelladeligen« zum ersten Mal in Wien Stimme und Spiel. Die für diese Partie notwendige Echauffiertheit in der Stimme fehlte ihm. Zuviel Zurückhaltung, vielleicht sogar Noblesse. Biedermann. Ohne Ambitionen.

VI.
Dafür ist von einer ausgezeichneten Marianne Leitmetzerin zu berichten: Regine Hangler ließ dieser oft mit schrillen Höhen gesungenen Partie die ihr gebührende Wortdeutlichkeit zukommen. Verständlich bis auf die Galerie. Sehr erfreulich.

'Der Rosenkavalier', 2. Akt: Ulrike Helzel (Annina) und Kurt Rydl (Baron Ochs auf Lerchenau © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

»Der Rosenkavalier«, 2. Akt: Ulrike Helzel (Annina) und Kurt Rydl (Baron Ochs auf Lerchenau
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

VII.
»Ein Kavalier läßt alles, was ihm nicht conveniert da draußen vor der Tür.« Wer wüßte das besser als der Einspringer Kurt Rydl in seiner Leib- und Magenpartie als Baron Ochs auf Lerchenau? Da gehört auch schon mal die Schönheit der einen oder anderen Phrase dazu. Gewiß hörte man das tiefe E am Ende des zweiten Aufzugs von anderen schon runder, kräftiger gesungen. Aber — gibt es einen besseren Ochs? (Ich gestehe Parteilichkeit in dieser Angelegenheit.) Allein das Kabinettstück’l, als Rydl im Faninalschen Palais zuerst auf die Marianne Leitmetzerin zusteuerte, als wäre sie die ihm Anzutrauende — herrlich! Oder die Illustration der Kurzsichtigkeit, als er Mariandls Brief immer wieder und wieder liest (rollendeckend, aber ohne die geforderte Durchschlagskraft im tiefen Register: die Annina der Ulrike Helzel). Und schließlich die Wirtshaus-Szene mit Daniela Sindram — deliziös, das ganze Qui-pro-quo

VIII.
An der Staatsoper kann man einen neuen Octavian entdecken. Und sich an der Rollengestaltung eines ur-wienerischen Ochs auf Lerchenau erfreuen. Aber, wie gesagt: Ich gestehe Parteilichkeit in dieser Angelegenheit.

Thomas Prochazka
MerkerOnline
4. Juni 2016

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