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FRANKFURT: CARMEN in der neuen Kosky-Inszenierung. Premiere

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FRANKFURT: CARMEN (in der Inszenierung von Barrie Kosky). Premiere am 5.6.2016


Bildmitte v.l.: Katherina Kasper, Paula Murrihy, Elisabeth Reiter, Tänzerinnen
(c): Monika Ritterhaus

Es besteht eine Tendenz an den großen Opernbühnen im deutschsprachigen Raum, aus „Carmen“ eine andere Oper zu machen (wie auch in Stuttgart gesehen) oder geradezu, den Bizet-Hit in ein ganz anderes Genre zu verweisen wie jetzt durch die neue `Frankfurter Fassung`. Natürlich ist die Quellenlage schwierig und durch den frühen Tod Bizets hat es auch keine `Ausgabe letzter Hand` gegeben. Trotzdem wurde `Carmen`in einer den damaligen Theatern zuträglichen Form zum Welterfolg und gehört heute zu einer der meistgespielten Opern. Dass Regisseure da neue Ideen anstatt der der immer wiederkehrenden spanischen Flamenco- und Torrero-Idylle einbringen wollen, ist völlig nachvollziehbar. In Frankfurt wird aber auch stark in die musikalische Faktur eingegriffen, auch wenn sich die Autoren damit rechtfertigen, daß Bizet andere Fassungen favorisiert habe, oder dass ‚alte Hörgewohnheiten‘ aufgebrochen werden müssten. Die Hauptveränderungen sind: Die Ouverture wird zugunsten einer Pantomime unterbrochen, in der eine Clownsgestalt einen französischen Prolog rezitiert. Auch im weiteren Verlauf werden bei Verzicht auf Rezitative immer wieder längere französische Zwischentexte der Librettisten aus dem Off verlesen. Da viele Plätze der Oper Frankfurt keine Sicht auf die deutsche Übertitelungsanlage haben, ist das schon eine Zumutung.-

Die musikalische Fassung von Constantinos Carydis, der auch (gut) dirigiert, bringt zwischen der Szene mit den Soldaten und derjenigen mit den Zigarettenarbeiterinnen längere Musikpassagen ein, die völlig fremd und gar nicht nach Bizet klingen. Und die bekannten Teile werden oft bis zur Unkenntlichkeit phrasiert, oder mit irre langen Rubati ausgereizt. Derartige Veränderungen werden im weiteren Verlauf vermieden, tauchen am Schluß wieder massiv auf, wenn ‚Carmen‘ der dramatische Schluss ausgetrieben und fast eine Feld-, Wald -und Wiesenmusik gespielt wird. Die Autoren meinen dazu, Bizet habe andere Ideale gehabt, wollte Carmen noch mehr in den Mittelpunkt gestellt sehen, die in der Inszenierung auch ganz unveristisch wieder vom Tod aufersteht. Diese Fassung wird aber besonders in den Streichern sehr präzise gespielt, erinnert aber doch mehr an eine Barockoper, es ist eine ‚Carmen‘ light und soft.

Natürlich haben C.Carydis und Reg. Barrie Kosky dabei eng zusammengearbeitet, und das Ganze könnte man jetzt überspitzt als ein Singspiel-Ballett im Stil Rameaus bezeichnen, das von einer die volle Bühne ausfüllenden Einheits-Treppe (Austattung: Katrin Lea Tag) beherrscht wird. Sie ist nicht leicht bespielbar, da die Stufen hoch sind. Aber das Spiel ist sowieso aufs Mindestmaß beschränkt zugunsten von Ballettpantomimen, die witzig wirken sollen, aber eher Klamauk transportieren. (Choreographie: Otto Pichler) Einzelne Handlungselemente werden zwar gut herüber gebracht, z.B. die sich ihre Öffentlichkeit behauptenden Kinder, die sich alle möglichen Blechblasinstrummente verschafft haben, sich mit ihnen gewaltig ins Zeug legen und dabei noch toll singen. Weiters die Kartenaufschlägerinnen, die süffisant auf der rechten Treppe placiert sind, oder die massiven flexiblen Chöre,die beim Stierkampf fulminant singen und sich pulkweise hin- und herbewegen. Es ist keine Frage, dass Ballett die Oper auch bereichern kann, aber hier erscheinen die sicher guten TänzerInnen viel zu aufgesetzt und als Überfrachtung. Das Kostüm erscheint bei José in einem Graurock als eher einfallslos, Carmen mutiert von Männerklamotten zu schwarz spanischer Folklore wie ihre Freundinnen, Michaela ist natürlich die weiße Unschuld, Escamillo in Torrerouniform mit rosa Strümpfen (und er singt seinen finalen Abgang zum Kampf extrem langsam und merkwürdig verhalten).

Der Leutnant Zuniga verschwindet einfach, seine Erschlagung als wichtiges Handlungselement ist nicht von Interesse, er wir von Kihwan Sim mit starkem Bariton exponiert. Michael Porter/Remendado und Sebastian Geyer/Dancairo gehen in den Wirren der Chorschmuggler auf der Treppe etwas unter bzw. werden von ihren Kolleginnen Kateryna Kasper (Frasquita) und Elisabeth Reiter (Mercedes) dominiert. Diese setzen sich auch gesanglich brillant in Szene. Karen Vuong hat als Micaela einen schlechten Tag erwischt. Der Sopran klang zu flach, fast ohne Timbre und wirkte bei der romantischen Arie eher nicht anrührend. Auch der Escamillo Daniel Schmutzhardt verblieb blass, was aber auch der Regie geschuldet war. Das Timbre von Joseph Calleja ist ja auch Geschmackssache. Er sang alle Noten korrekt, hatte aber keine Ausstrahlung. Von den Protagonisten am besten war die Carmen der Paula Murrihy. Auch sie hat zu Beginn eher Carmen-fremd zu singen, also „light“, später lässt sie doch mit einen intensiv geführten Mezzosporan aufhorchen und ist die Einzige ,die so etwas wie musikalische Dramatik aufblitzen läßt.                                   

Friedeon Rosén

 

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