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BERLIN/ Deutsche Oper: TRISTAN UND ISOLDE. Wiederaufnahme

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Deutsche Oper Berlin, Tristan und Isolde, Wiederaufnahme. Vorstellung vom 05. Juni 2016

Richard Wagner wollte im Tristan neben seinem autobiographischen Inhalt der Liebe ein Denkmal setzen.

Der Regisseur  Graham Vick und sein Bühnen- und Kostümbildner Paul Brown sind nach intensiven Studium der Vorgeschichte zu einer ganz anderen Schlussfolgerung gekommen, nach der es zu keiner aufrichtigen Liebe zwischen den beiden Protagonisten kommen kann.

Schließlich hat Isolde im Kampf ihren Verlobten  “Morold” verloren und ist zusätzlich mit Spott und Häme aus der Umgebung von Tristan überschüttet worden (“Sein Haupt doch hängt in Irenland als Zins gezahlt von Engeland”). Auch die aus rein politischen Gründen zugedachte Heirat mit König Marke, die von Tristan eingefädelt wurde, ist ausschlaggebend für die Abneigung der Isolde zu Tristan. Als sichtbares Zeichen der Regie ist in allen drei Akten der Sarg von Morold präsent.

Die Liebe am Ende des ersten Aktes und im zweiten Akt wird ausschließlich auf Grund von bewusstseinsverändernden Drogen (hier wird diese mittels Injektion verabreicht) herbeigeführt und endet sofort, nachdem die Wirkung verpufft ist. (siehe am Ende des zweiten Aktes).

Die Inszenierung beruht auf drei Ebenen, die reale Welt, die so genannte Gedankenwelt, die nur für den Besucher sichtbar ist und zusätzlich die szenischen Kommentare, die nicht handlungsrelevant sind.

Beispielsweise der mit einem Papierschiffchen spielende Junge. Er soll den Tristan als Kind zeigen und die nackte Frau ist seine bei seiner Geburt verstorbene Mutter, die sinnbildlich aus dem Jenseits das Geschehen betrachtet, wie im zweiten Akt zu sehen ist. Im zweiten Akt schaufelt ein nackter Mann sein Grab.  Es ist der Totengott Thanatos aus der griechischen Mythologie. Der Tod ist allgegenwärtig

Das Einheitsbühnenbild zeigt einen großen bürgerlichen Raum, der von einem anderen Raum durch eine mit Türen versehene Glaswand getrennt ist. Dieser Raum verliert sich nach hinten in die “Weltennacht mit seinem göttlichen Urvergessen”.

Den ganzen ersten Akt starrt König Marke (Kornwall’s müder König) in Todessehnsucht in diese Glaswand, denn seine Gedanken sind nur bei seiner früh verstorbenen Frau. In Tristans Gedankenwelt sind die seelischen Qualen sichtbar und seine “vollkommene Genesung” kann nur durch den Tod erfolgen. Musikalisch wurde dies zuvor im Vorspiel durch den Tristanakkord dokumentiert.

Im 3. Akt wurde ein Zeitsprung vollzogen, denn alle auftretenden Personen sind alt geworden und befinden sich auf der letzten Etappe ihres Lebensabschnittes. Tristan verschwindet nach seinen Fieberträumen hinter der Glaswand.  Man muss kein Prophet sein, dass sein  Wunsch, den er gedanklich im 1. Akt gefasst hat, nun in Erfüllung gehen wird. Bevor Isolde den gleichen Weg geht, gilt ihr Abschiedsgruß (laut Richard Wagner eine Verklärung) ihrem Helden “Morold” und nicht Tristan, wie man vermuten könnte.

Problematisch für den Zuschauer sind die zusätzlichen Überlagerungen, die oftmals unverständlich sind und die Konzentration auf das musikalische Geschehen beeinflussen.

Mit Stephen Gould als Tristan, Nina Stemme als Isolde, Albert Pesendorfer als König Marke, sowie Ryan McKinny als Kurvenal und Tanja Ariane Baumgartner (vom Ensemble der Oper Frankfurt) als Brangäne, kann eigentlich musikalisch nichts daneben gehen. Noch dazu, wenn der Chef, Donald Runnicles, das Orchester der deutschen Oper Berlin  leitet.

So ist es in der Tat zu einem insgesamt hervorragenden Abend geworden. Stephen Gould hat mit seiner baritonalen Mittellage und der lyrischen Höhe einen grandiosen Erfolg erzielt, ebenso Nina Stemme, mit ihrem voluminösen ausdruckstarken Sopran. Sie hatte mit dem hohen “C” keinerlei Schwierigkeiten. Den Liebestod sang sie mit brünnhildenhaften Ausdruck, eine hoch emotionale Leistung. Den Hirten sang Peter Maus, den Seemann Attilio Glaser, den Steuermann Seth Carico und die Chorleitung hatte Thomas Richter

In der Premiere im Jahre 2011 reagierte das Publikum kontrovers auf die szenische Darstellung. Wie dieses mal die Besucher diese Inszenierung bewertet hätten, kann man nicht feststellen, da am Schluss kein Vertreter von der Regie anwesend war. Real dagegen war, nach einer Pause der Besinnung, der lautstarke Applaus am Ende für das Orchester und die Künstler und das zu Recht. Die Inszenierung war vom Konzept neu mit einer kostenlosen Lehrstunde über die Psychoanalyse. Was will man mehr.

Weitere Vorstellungen am 12, Juni und am 18. Juni.

Franz Roos

 

 

 

 

 

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